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Hebt er jetzt völlig ab? Emmanuel Macron am Tag nach der Parlamentswahl.

© Christophe Archambault, AFP

Wahlergebnis in Frankreich: Hat Emmanuel Macron wirklich ein klares Mandat?

Historisch niedrige Wahlbeteiligung in Frankreich. Nur eine Minderheit hat für Macrons neue Partei gestimmt. Lässt sich daraus ein Mandat für tiefgreifende Reformen ableiten? Ein Kommentar

Ein Kommentar von Malte Lehming

Knapp 43 Prozent der wahlberechtigten Franzosen gingen am Sonntag wählen. Das ist weniger als die Hälfte, also eine Minderheit. Schmälert das den Erfolg von Präsident Emmanuel Macron und der von ihm neu gegründeten Partei „La République en Marche“ (REM), die die absolute Mehrheit in der Nationalversammlung erreichte?

Es ist kein Zufall, dass Linke wie Rechte gleichermaßen und fast wortgleich versuchten, das Wahlergebnis unter Hinweis auf die extrem niedrige Wahlbeteiligung zu delegitimieren. „Welche Legitimität hat diese Mehrheit, wenn nur rund 40 Prozent der Wahlberechtigten teilgenommen haben?“ fragte spöttisch Nicolas Bay, der Generalsekretär des rechtsextremen Front National. Linksaußen Jean-Luc Mélenchon klang ähnlich: „Diese Mehrheit hat keine Legitimität, um einen sozialen Staatsstreich vorzunehmen.“ Das hohe Maß an Stimmenthaltung sei wie ein „Generalstreik“. Selbst bei der dpa hieß es in einem Hintergrundstück auf die Frage, ob Macron ein eindeutiges Mandat bekommen habe: „Nein. Nur knapp 43 Prozent der Wahlberechtigten gingen zur Abstimmung, so wenige wie noch nie.“

Doch solcher Art Relativismus ist gefährlich. In einer Demokratie wird frei (ohne Zwang), gleich (jeder Wahlberechtigte hat gleich viele Stimmen) und geheim gewählt. Einige Staaten haben eine Wahlpflicht, ein Quorum jedoch, das heißt eine Mindestwahlbeteiligung, gibt es nicht. Sollte nur ein Wahlberechtigter an einer Abstimmung teilnehmen und sein Kreuz bei der Partei der yogischen Flieger machen, hätte diese die absolute Mehrheit. Das Ergebnis wäre völlig korrekt und demokratisch zweifelsfrei. Gewählt ist, wer die Mehrheit der abgegebenen Stimmen erhält: So einfach ist das. Und so genial.

Herrscht in einem Land Religionsfreiheit?

Natürlich wäre es schön und wünschenswert gewesen, wenn mehr Franzosen bei den Parlamentswahlen teilgenommen hätten. Doch das hohe Maß an Enthaltung in irgendeiner Form für sich und seine eigenen Interessen zu instrumentalisieren, verkennt das Wesen der Demokratie. Wer nicht an einer Wahl teilnimmt, hat sich entschieden, auf das Ergebnis keinen Einfluss nehmen zu wollen. Das ist zu respektieren.

Um einen Vergleich zu bemühen: Herrscht in einem Land Religionsfreiheit? Wer das verneint, weil nur noch wenige Menschen sonntags in die Kirche gehen, wer folglich die Gültigkeit eines Rechts davon abhängig macht, wie viele Menschen von diesem Recht Gebrauch machen, lädt einen Rechtsbegriff unnötig auf.

In diesem Sinne beweist sich auch das eine Demokratie nicht daran, wie viele Menschen ihre demokratischen Rechte in Anspruch nehmen, sondern ob diese Rechte jedem Menschen garantiert werden. Das ist in Frankreich zweifellos der Fall. Die geringe Wahlbeteiligung ändert nichts an der Legitimität der neuen Regierung.

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