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Politik: Wahlgeheimnisse

Experten streiten um Bekanntgabe der Ergebnisse am 18. September – dabei ist die Auszählung öffentlich

Berlin/Wiesbaden - Wolfgang Hannappel kann die Aufregung nicht ganz verstehen. Der Landeswahlleiter von Hessen glaubt nicht, dass die nach dem Tod der NPD-Kandidatin nötige Nachwahl im Bundestagswahlkreis Dresden I wirklich das Ergebnis nachhaltig verändern wird. Auch in bisherigen Nachwahlen sei das Gesamtergebnis nur unwesentlich verändert worden. „Ich glaube, die Wähler werden bei der Nachwahl erst recht nach ihrer Parteipräferenz wählen“, sagte er dem Tagesspiegel.

Der Berliner Staatsrechtler Christian Pestalozza forderte, die Stimmverteilung am 18. September zunächst unter Verschluss zu halten. Es sei verfassungsrechtlich bedenklich, wenn die Bürger in dem Dresdner Wahlkreis später auf der Grundlage des bundesweiten Ergebnisses wählen könnten. Auch der hessische CDU-Spitzenkandidat Franz Josef Jung plädiert dafür, das Bundesergebnis bei einem knappen Ausgang nicht zu veröffentlichen. Hannappel widerspricht: Da die Auszählung der Wahlen nach der Bundeswahlordnung öffentlich sein müsse, sei eine Geheimhaltung nicht möglich. Allenfalls könnte die Bundestagswahl am 18. September gar nicht ausgezählt werden.

Darum ging es auch bei einer Nachwahl in Hessen 1995. Dort war im Wahlkreis Bergstraße II die Kandidatin der Republikaner tödlich verunglückt. Die Nachwahl fand drei Wochen nach dem landesweiten Wahltag statt. Die SPD- Landtagsabgeordnete Karin Hartmann, damals Kandidatin in Bergstraße II, erinnert sich, dass schon vor dem regulären Wahltermin ein Medienrummel über sie hereingebrochen sei – in ihrem Wahlkreis hätte sich das Schicksal der rot-grünen Landeskoalition entscheiden können. Denkbar war nämlich auch damals ein knappes Ergebnis, so dass die Landtagswahl am Wahlabend nicht entschieden gewesen wäre. Es kam anders, der Vorsprung von Rot-Grün am 19. Februar 1995 war komfortabel ausgefallen, durch die Nachwahl an der Bergstraße änderte sich nichts.

Sechs Monate nach der Wahl kritisierte das Wahlprüfungsgericht den Landeswahlleiter dennoch, weil er am Wahlabend überhaupt Ergebnisse veröffentlich hatte. Das Gremium befand, dass eine Beeinflussung der Wahl im Wahlkreis Bergstraße nicht hätte ausgeschlossen werden können. Auch eine Wiederholung der Wahl hätte damit erforderlich werden können, so das Gericht. Der hessische Landtag zog Konsequenzen und änderte das Wahlgesetz. Für jeden Direktkandidaten muss seitdem ein Ersatzbewerber bestimmt werden.

Hannappel hält derweil eine Wahl in Dresden I noch am 18. September aus organisatorischen Gründen nicht für möglich. Zwar könnten die neuen Wahlzettel noch gedruckt und auch der neue NPD-Bewerber festgelegt werden, doch sei es praktisch nicht mehr möglich, alle Briefwähler – deren schon eingegangenen Stimmzettel jetzt ungültig sind – innerhalb einer Woche zu erreichen. Daher sei der Gleichheitsgrundsatz berührt.

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