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Wahlkampf: CDU und SPD kuscheln in Sachsen-Anhalt

Der Feind meines Feindes: CDU und SPD führen in Sachsen-Anhalt einen Kuschelwahlkampf – um Rot-Rot zu verhindern.

Von Matthias Meisner

Einen besseren Auftakt für die entscheidende Phase vor der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt kann sich die SPD kaum wünschen. 44 Tage vor der Abstimmung kommt der mutmaßlich prominenteste Christdemokrat des Landes, der amtierende Ministerpräsident Wolfgang Böhmer, ins Mansfelder Land, Heimat seines Stellvertreters und Landesfinanzministers Jens Bullerjahn. Der ist Spitzenkandidat der SPD. Beide Politiker können sich gut vorstellen, dass Christ- und Sozialdemokraten auch nach dem 20. März in Magdeburg gut zusammen regieren.

„Neujahrsempfang des SPD-Ortsvereins“ heißt der Termin im Kulturhaus Ahlsdorf offiziell. Zu diesem hat Bullerjahn bereits in den vergangenen Jahren prominente Redner verpflichtet, Klaus Wowereit war schon mal da, Franz Müntefering und Matthias Platzeck, einmal bereits auch Regierungschef Böhmer. Der erinnert sich noch gern an die „wunderbare frische Schweinewurst“, die dort verabreicht wurde. Wieder wird in der Bergbaugemeinde der Spielmannszug auftreten. Böhmer freut sich schon auf die Neuauflage des Empfangs am 4. Februar. „Eine dufte Sache“, sagt der Regierungschef. Schließlich dürfe man „Demokratie nicht wie einen Boxkampf zelebrieren“.

Böhmer tritt bei der Landtagswahl nicht mehr an. Als Nachfolger kandidiert für die CDU Wirtschaftsminister Rainer Haseloff. Der gelernte Physiker und frühere Arbeitsamtsdirektor wirkt deutlich technokratischer als der frühere Frauenarzt Wolfgang Böhmer. Vom Kuschelwahlkampf aber versteht er ähnlich viel. Auch er hat gemeinsame Auftritte mit Bullerjahn schon im Kalender. Am kommenden Dienstag wird unter dem Motto „Magdeburger Allerlei“ in der Bar des Opernhauses der Landeshauptstadt gemeinsam gekocht. Bullerjahn will „Mansfelder Schmorfleisch mit Schwarzbiersud“ zubereiten, Haseloff stimmt die Speisefolge noch mit seiner Frau ab. Vier Tage nach dem Show-Kochen weihen die beiden Minister das neue Werk einer Großbäckerei in der Lutherstadt Eisleben ein – im Sommer hatten sie bereits den Fördermittelbescheid dafür gemeinsam übergeben.

Der jüngsten Umfrage vom September 2010 nach rangieren CDU und Linkspartei gleichauf vorn. Jeweils 30 Prozent werden ihnen vorausgesagt. Die SPD wird mit 21 Prozent auf Platz drei verwiesen. Dass die beiden regierenden Parteien in Sachsen-Anhalt trotz Wahlkampf so entspannt miteinander umgehen, wird in der Landes-CDU unter anderem mit der „verlässlichen“ Zusammenarbeit im Kabinett begründet. Zum anderen heißt es, Bullerjahn müsse gestützt werden, damit es nach der Wahl nicht zu einem rot-roten Bündnis komme. Dieses wäre schon bei der Wahl 2006 rechnerisch möglich gewesen. Bullerjahn erklärt: „Ich halte nichts davon, fast fünf Jahre lang gut miteinander zu arbeiten und dann den Leuten etwas vorzumachen und Krawall zu schlagen.“

Dass die SPD die CDU noch überrunden kann, ist kaum zu erwarten. Spannung im Wahlkampf verspricht so allenfalls die Auseinandersetzung mit Rot-Rot. Die CDU fordert in ihrem Wahlprogramm, dass „die sogenannte Partei Die Linke“ aufgrund „der verfassungsfeindlichen Programmatik und etlicher totalitärer Strömungen“ vom Verfassungsschutz zu überwachen sei. Haseloff sagt, er werde nicht hinnehmen, wenn der langjährige Linken-Fraktionschef und Spitzenkandidat Wulf Gallert die wirtschaftlichen Erfolge im „Industrieland“ Sachsen-Anhalt kleinrede. Bullerjahn will eine rot-rote Regierung nach dem 20. März zwar nicht völlig ausschließen. Aber er versichert, Gallert auf keinen Fall zum Ministerpräsidenten wählen zu wollen, es gebe da „keine Wackelei“. Gallert indes setzt auf Unruhe in der SPD, wenn die bei der Wahl so richtig abschmiert, seine Partei aber stärkste Kraft im Landtag wird. Die Chance dafür ist nach der Kommunismusdebatte in der Linkspartei allerdings gesunken.

In den 90er Jahren waren Bullerjahn und Gallert Fraktionsgeschäftsführer, Architekten der von der PDS tolerierten SPD-geführten Minderheitsregierung. Seit damals sind sie befreundet. Diese Freundschaft wird derzeit nicht gepflegt.

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