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Wahlkampf: Erst in den Landtag, dann die Welt verändern

In Bayern geht Gregor Gysi auf Wählerfang. So mancher hat Angst, die Linkspartei könnte ihr Ziel erreichen, bei der Landtagswahl über fünf Prozent zu kommen. Dabei sei in Bayern doch die Welt noch in Ordnung - ganz im Gegensatz zu Ländern, in denen der Sozialismus regiere, wie "Kuba, oder auch Mecklenburg-Vorpommern".

Die jungen Männer mit den "Freiheit statt Sozialismus“-Plakaten haben ein bisschen Angst vor dem Gast, der in wenigen Minuten im oberbayerischen Peißenberg eintreffen soll. Sie kommen von der Jungen Union, und sie protestieren dagegen, dass Gregor Gysi, Bundestagsfraktionschef der Linken, hier im idyllischen Bayern auf Wählerfang geht. "Ich fürchte mich schon ein bisschen vor der Linken“, gesteht einer der Nachwuchs-CSUler. Man müsse doch nur einen Blick in andere Länder werfen, in denen der Sozialismus regiere – "Kuba, oder auch Mecklenburg-Vorpommern“. Es klingt ein wenig trotzig, als er hinzufügt: "Uns in Bayern geht es doch gut.“

Auch wenn hier in Oberbayern offenbar noch nicht bei jedem angekommen ist, dass in Schwerin inzwischen eine große Koalition regiert, so haben sie doch gemerkt, dass die Linke mit aller Kraft darum kämpft, in den bayerischen Landtag einzuziehen. In vier westdeutschen Landtagen ist die Partei inzwischen vertreten, doch ein Erfolg in Bayern hätte aus Sicht der Partei eine besondere Signalwirkung. "Wenn wir in Bayern einziehen, verändern wir die Welt“, ruft Gysi den rund 300 Zuhörern zu, die an diesem Abend in den 12.000-Einwohner-Ort Peißenberg gekommen sind.

Chancen unbekannt

Wie für die Linke die Chancen bei den bayerischen Landtagswahlen in gut zwei Wochen tatsächlich stehen, wissen sie selbst nicht so genau. In den Umfragen liegen sie bei vier Prozent. In Bremen und Niedersachsen sei die Linke vor den Wahlen auch unterschätzt worden, machen sich die Wahlkämpfer Mut. Aber sie wissen auch: Bayern ist anders. Zum einen, weil das spezielle Wahlrecht es kleineren Parteien erschwert, die Fünfprozenthürde zu überspringen. Aber auch, weil im konservativen Bayern die Berührungsängste besonders groß sind.

Eine Art "schüchterne Zuneigung“ und "verstohlene Sympathie“ habe er bei einem Auftritt im Allgäu erfahren, berichtet der Bundestagsabgeordnete Ulrich Maurer seinen Genossen bei der zweitägigen Fraktionsklausur in München. Maurer hat schon viele Wahlkämpfe miterlebt, früher allerdings als SPD-Politiker. "Die Leute sind eingeschüchtert“, berichtet er. Auch, weil CSU-Chef Erwin Huber zu einem "Kreuzzug“ gegen die Linke aufgerufen hat.

Und so sind es auch ungewöhnlich ruhige Töne, die Oskar Lafontaine am Vorabend in Rosenheim anschlägt. Auf dem alten Markplatz, umgeben von renovierten Bürgerhäusern, verlaufen sich Zuhörer. Der Parteichef der Linken, der sich sonst schon mal in Rage redet, beruft sich auf „christliche Werte“, als er für die Besteuerung hoher Vermögen wirbt. Und auf die bayerische Verfassung. Besonders viel Applaus erhält er, als er den Abzug der deutschen Soldaten aus Afghanistan fordert.

Großes Budget für einen Denkzettel

Rund 3000 Mitglieder hat die Linke inzwischen in Bayern, und mit 200.000 Euro ein Wahlkampfbudget, das gerade mal doppelt so groß ist, wie das der SPD in Nürnberg. Auch deshalb absolviert das Berliner Spitzenduo Gysi und Lafontaine im Wahlkampf-Endspurt einen Termin nach dem anderen – von Rosenheim bis Peißenberg. Am ersten Nachmittag der Fraktionsklausur sind drei Stunden für einen Stadtrundgang durch München reserviert. Gelegenheit, um beim Stopp im Biergarten mit den Leuten vom Nachbartisch ins Gespräch zu kommen. "Dass sich der noch hertraut“, schimpft eine Rentnerin am Straßenrand, als sie Lafontaine sieht. Sie sei "schwer begeistert“ von ihm gewesen, als er noch Finanzminister gewesen sei, "aber jetzt? Da wähle ich lieber den Maget“.

In Peißenberg ist Gysis Auftritt am Abend für manch einen Besucher einfach nur eine Gaudi, sie wollen sich mal den Typen anschauen, den sie aus den Talkshows kennen. Viele von ihnen kommen aber auch, weil sie ernsthaft überlegen, die Linke zu wählen. "Wir brauchen einen Ruck zugunsten der kleinen Leut’“, sagt ein Rentner. Bei ihm sitzt der Frust über die Politik tief, nach jahrzehntelanger CSU-Alleinherrschaft. Aber auch die Sozialdemokraten seien keine ernsthafte Alternative: "Die brauchen alle einen Denkzettel.“

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