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Flotte Sprüche. SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück am Donnerstag im Bundestag.

© dpa

Wahlkampf im Bundestag: Peer Steeinbrück und Angela Merkel im Rededuell

SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück punktete am Donnerstag im Rededuell mit Kanzlerin Angela Merkel. Bei seinen Sozialdemokraten kamen die flotten Sprüche, mit denen er Merkels Politik kritisierte, gut an. Die Kanzlerin hingegen verzog das Gesicht.

Von Hans Monath

Wenn der grimmige Gesichtsausdruck Angela Merkels auf der Regierungsbank denn ein Gradmesser für die Qualität von Angriffen auf ihre Politik ist, dann hat Peer Steinbrück an diesem Donnerstag einen guten Lauf. Es ist kurz nach halb zehn, der Herausforderer antwortet gerade auf die Regierungserklärung der Kanzlerin zum EU-Gipfel. Steinbrück erinnert an den früheren SPD-Fraktionschef Fritz Erler, der auf eine Regierungserklärung von Kanzler Ludwig Erhard antwortete: „Die Rede des Herrn Bundeskanzlers war sehr reziplikativ.“

Für einen Moment herrscht Verwirrung im Plenum, ein Raunen geht durch die Reihen: Was will Steinbrück, dem intellektueller Hochmut bekanntlich nicht völlig fremd ist, nun wieder sagen? Doch schnell löst der Kandidat das Rätsel auf und liefert damit eine Kurzanalyse der Merkel-Rede aus seiner Sicht: „Das heißt gar nichts, es spricht sich nur so gut.“ Drei oder vier Mal habe er diese Erklärung Merkels schon gehört, lästert der Angreifer, selbst die halbe Regierungsbank sei von akutem Schlafbedürfnis überwältigt worden.

Attacke auf Merkels Politik kommt bei Sozialdemokraten gut an

In den Reihen der Sozialdemokraten kommt die Attacke auf Merkels Politik gut an, denn die miesen Umfragewerte und dazu der Zwist an der Parteispitze waren auf die Stimmung geschlagen. Endlich erleben die Abgeordneten einen Herausforderer, wie sie sich ihn vorstellen, einen, der hart mit der Regierungschefin ins Gericht geht. Die Heftigkeit des Applauses zeigt die Begeisterung, schließlich kommt dem letzten Aufeinandertreffen von Kanzlerin und Kandidat vor der Sommerpause besondere Bedeutung zu. Steinbrück nimmt sich die Krisenpolitik der Kanzlerin vor und nennt die EU-Jugendarbeitslosigkeit eine „direkte Folge der einseitigen Sparpolitik in Europa, die Sie maßgeblich betrieben haben“.

Die Miene der Kanzlerin hellt sich auch nicht auf, als der Redner die Wahlversprechen der Union aufs Korn nimmt und der Koalition vorwirft, sie habe trotz Niedrigzinsen und sprudelnden Steuereinnahmen mehr als 100 Milliarden Euro neue Schulden gemacht. Die Koalitionsabgeordneten toben. „Ja, werden Sie noch nervöser“, höhnt Steinbrück, „das würde mich freuen, dann hätte ich Trefferwirkung!“ Und bilanziert: „Sie können nicht mit Geld umgehen. Wenn Sie in der Wüste regieren, wird der Sand knapp.“

Der Wahlkampf zwischen CDU und SPD hat begonnen

Auch die Kanzlerin hat zuvor nicht nur in gewohnt präsidialer Art eine solide Finanzpolitik für Europa gefordert, sondern mit kleinen Spitzen gegen die Opposition gezeigt, dass der Wahlkampf beginnt. „Sie wollen nichts anderes, als die Leistungsträger in der Mitte der Gesellschaft wieder belasten“, rief sie Sozialdemokraten, Grünen und Linken zu. Wesentlich eingänglicher für Fernsehberichte über die Debatte dürften aber Steinbrücks Schlusssätze sein, die lauteten: „Von dieser Bundesregierung haben wir nichts mehr zu erwarten. Sie bringt seit langem nichts mehr zustande. Es ist Zeit für einen Wechsel.“

Dass Unions-Fraktionschef Volker Kauder (CDU) daran erinnerte, dass Fritz Erler immer hohe Staatsämter angestrebt und nie erreicht hatte, änderte an der Wirkung von Steinbrücks Rede auf die eigene Partei wenig. Zwar wissen die SPD-Strategen, dass ihr Kandidat die Kanzlerin in der Europapolitik kaum stellen kann. Denn so logisch die Analyse fehlender wirtschaftlicher Impulse in Krisenländern aus ökonomischer Sicht sein mag, so ernüchternd klingt die daraus abzuleitende einfache Botschaft, auf die komplexe Themen in Wahlkampfzeiten immer verdichtet werden müssen. Sie lautet: Der deutsche Steuerzahler muss mehr für EU-Krisenländer aufbringen. Diese Aufforderung aber ist auch für sozialdemokratische Wähler nicht sehr attraktiv, weshalb sie der Kandidat in dieser Form auch nicht ausspricht.

Steinbrück macht deutlich: Er will kämpfen

Doch für Steinbrück ging es an diesem Donnerstag im Bundestag vor allem um zwei Dinge: Er musste Merkel so hart angreifen, dass sein Anspruch als Herausforderer deutlich wird, und er musste seine eigenen Abgeordneten mit der Überzeugung in die Sommerpause schicken, dass ihr Kandidat kämpfen will. Zumindest das scheint ihm gelungen zu sein. Nach den Querelen rund um den Parteikonvent hatte Steinbrück die eigenen Abgeordneten schon am Dienstagabend beim Empfang der SPD-Fraktion mit einer ungewohnt kämpferischen Rede überrascht. Darin forderte er nicht nur ein Ende der Verzagtheit und unbedingten Optimismus. In Anspielung auf einen Ausspruch von Kapitän Jack Sparrow aus dem Film „Fluch der Karibik“ verlangte er von seiner Partei auch: „Bringt mich an den Horizont, liebe Freundinnen und Freunde.“

Der Beifall war heftig, einige Fans stimmten sogar Sprechchöre an. Die waren rein semantisch zwar nicht von beeindruckender Qualität („Wir wollen mehr – Peer“). Aber womöglich ist für Sozialdemokraten in diesen Tagen eine aufrechte Haltung im Wahlkampf wichtiger als sprachliche Kreativität.

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