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Greift an. Präsident Barack Obama lehnt eine Teilprivatisierung der Gesundheitsversorgung der Menschen über 65 Jahre ab.

© dapd

Wahlkampf in den USA: Obama zwingt Republikanern Medicare-Debatte auf

Der US-Wahlkampf wird schärfer. Das liegt auch am Vizepräsidentschaftskandidaten der Republikaner. Und Präsident Obama weiß genau, wie er die Stimmung zu seinen Gunsten nutzen kann.

Die Ausrufung Paul Ryans als Vizepräsidentschaftskandidat der Republikaner hat den US-Wahlkampf aus der Ruhe der Sommerferien geweckt. Die Rhetorik wird auf beiden Seiten schärfer. Nun dreht sich die Auseinandersetzung um ein neues Thema: Medicare, die staatliche Gesundheitsversorgung der Einwohner über 65 Jahre. Angesichts der Alterung der Gesellschaft muss das System reformiert werden. Die Senioren sind jedoch die Gruppe mit der höchsten Wahlbeteiligung und in Swing States wie Florida das Zünglein an der Waage. Sie beobachten jeden Versuch, die Leistungen zu verändern, mit Misstrauen.

Seit Mitt Romney Ryan am Samstag vorstellte, behaupten Republikaner und Demokraten, dies bedeute eine Wende zu ihren Gunsten. Romney hat sich aus der Defensive befreit. Über Wochen war er langsam hinter Präsident Barack Obama zurückgefallen. Nun setzt er die Themen. Der Preis ist freilich hoch. Ryan hat sich einen Namen damit gemacht, dass er den Staat zurückdrängen sowie den Bürgern und der Wirtschaft mehr Freiräume und Eigenverantwortung geben möchte. Praktisch heißt das: drastische Reduzierung der staatlichen Aufgaben und Sozialleistungen, niedrigere Steuern, Teilprivatisierung der bislang staatlichen Gesundheitsversorgung der Senioren.

Das bietet den Demokraten Ansatzpunkte zur Verschärfung ihrer Attacken: Romney und Ryan wollten die Reichen noch reicher machen, die Mittelschicht müsse das bezahlen. Vizepräsident Joe Biden interpretierte Romneys Forderung, die Reform der Bankenaufsicht rückgängig zu machen, als „Entfesselung der Wall Street“. Dann dürften „die Großbanken sich die Regeln selbst schreiben“, rief er bei einem Wahlkampfauftritt in Virginia, und „legen euch alle wieder in Ketten“. Romney konterte, solche „wilden und haltlosen Anschuldigungen“ seien „eine Schande für die Präsidentschaft“.

Polarisiert. Der Kandidat der Republikaner für die Vizepräsidentschaft, Paul Ryan, hat einfache Botschaften: weniger Staat und weniger Geld für Medicare.
Polarisiert. Der Kandidat der Republikaner für die Vizepräsidentschaft, Paul Ryan, hat einfache Botschaften: weniger Staat und weniger Geld für Medicare.

© dpa

Aus Sicht der Demokraten ist Obama der Etappensieger vor den beiden Nominierungsparteitagen der Republikaner in der letzten August- und der Demokraten in der ersten Septemberwoche. Danach bleiben noch acht Wochen bis zur Wahl am 6. November. Die Republikaner wollten die Wahl zu einem Referendum über Obamas Wirtschaftsbilanz machen, er dagegen zu einer Richtungsentscheidung über zwei gegensätzliche Gesellschaftsentwürfe. Erfolgreich hat Obama Romneys Reichtum thematisiert und Zweifel daran geweckt, ob dessen persönlicher Erfolg als Manager nicht zum Verlust vieler US-Jobs geführt habe. Wochenlang diskutierten die Medien nicht Obamas Bilanz, sondern Romneys Biografie.

Auch bei Ryans Spezialthemen Budget und Medicare geht es darum, wer die Debatte dominiert. Jedes Lager wirft dem anderen vor, es sei „der Totengräber von Medicare“. Die Demokraten sagen, Teilprivatisierung sei nichts anderes als Sozialabbau. Die Republikaner argumentieren umgekehrt: Wir haben den Mut, offen über unpopuläre Themen zu reden. Nur wer die Gesundheitsversorgung der Senioren reformiere, könne sie erhalten.

Tatsächlich wollen beide Seiten rund 700 Milliarden Dollar im Medicare-System über die nächsten zehn Jahre kürzen. Obama, um seine Gesundheitsreform zu bezahlen, durch die 30 Millionen Unversicherte eingegliedert werden. Romney und Ryan, um das Budgetdefizit zu verringern. Beide Lager schüren die Ängste der Senioren vor Einschnitten und weisen dem Gegner die Schuld daran zu. Gefährlicher ist diese Debatte für die Republikaner. Obama weiß das. Und nutzt es aus.

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