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Politik: Wahlkrimi in Italien: Prodi schlägt Berlusconi knapp

Oppositionschef hat Mehrheit in beiden Kammern Regierungspartei will das Ergebnis anfechten

Rom - Auch nach der Veröffentlichung der offiziellen Ergebnisse der Parlamentswahl in Italien streiten die beiden politischen Lager weiter über Sieg und Niederlage. Nach Angaben des Innenministeriums hat die Mitte-links-Union von Oppositionschef Romano Prodi in beiden Parlamentskammern eine Mehrheit. Dennoch wollte der amtierende Ministerpräsident Silvio Berlusconi seine Niederlage nicht anerkennen. „Niemand kann behaupten, er habe gewonnen“, sagte Berlusconi am Dienstagabend in Rom. Die vorliegenden Ergebnisse hätten „zu viele dunkle Seiten“ und müssten überprüft werden. Völlig überraschend schloss Berlusconi eine große Koalition nicht aus.

Dagegen hatte Staatspräsident Carlo Azeglio Ciampi kurz zuvor den „geordneten und regulären Ablauf der Wahlen“ unterstrichen. Nach Angaben des Innenministeriums kommt Prodis Mitte-links-Allianz auf 348 von 630 Sitzen im Abgeordnetenhaus, Berlusconis Mitte-rechts-Lager auf 286 Mandate. Im Senat habe Prodi 158 Sitze gewonnen, Berlusconi 156. Zwar seien noch nicht alle Stimmen von Auslandsitalienern ausgezählt, an dem Ergebnis könnten die fehlenden Stimmen aber nichts mehr ändern.

Bereits zuvor hatte Prodi die Hoffnung geäußert, eine vergleichsweise stabile Regierung bilden zu können. „Wir haben eine Mehrheit in der Abgeordnetenkammer und im Senat erzielt, die es uns erlaubt, mit unserer Koalition fünf Jahre lang zu regieren“, sagte er nach einer langen und chaotischen Stimmenauszählung rund 24 Stunden nach Schließung der Wahllokale.

Berlusconi sprach von einer „Spaltung des Landes“. Beide Lager teilten sich jeweils etwa 50 Prozent der Stimmen. Es sei unverantwortlich, wenn Prodi jetzt Siegesfeiern veranstalte. „Wir sollten Deutschland als Beispiel nehmen, um die Kräfte zu vereinen“, sagte er mit Blick auf eine große Koalition. Sie gilt unter Experten angesichts der tiefen politischen Differenzen zwischen beiden Lagern als sehr unwahrscheinlich.

Außenminister Gianfranco Fini von der Nationalen Allianz räumte „höchstens eine arithmetische Niederlage ein, keinesfalls aber eine politische Niederlage“. Zur Überprüfung des Wahlergebnisses wurde im Regierungslager vor allem eine Untersuchung von rund 500 000 ungültigen Stimmen verlangt. „Eine aufmerksame und präzise Überprüfung ist notwendig“, zitierten Insider Berlusconi aus einer Sitzung mit Mitarbeitern.

Unterdessen feierte die Linke in vielen Städten bereits ihren Wahlsieg. „Ich erwarte einen Anruf mit den Glückwünschen von Berlusconi, das ist in modernen Demokratien so Brauch“, sagte Prodi. Der frühere EU-Kommissionspräsident war bereits von 1996 bis 1998 Regierungschef.

In Rom hieß es, die Gespräche zur Regierungsbildung könnten erst nach der Wahl eines neuen Staatspräsidenten am 13. Mai beginnen. Der Nachfolger von Staatschef Carlo Azeglio Ciampi werde den Wahlsieger beauftragen, das 61. Nachkriegskabinett zu bilden. Anschließend muss sich der Regierungschef in beiden Parlamentskammern einer Vertrauensabstimmung stellen. dpa

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