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Vereint. Bundeskanzlerin Angela Merkel und Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer bei der Vorstellung des Wahlprogramms.

© imago/Jens Jeske

Wahlprogramm der Union: Eine Politik für Bewahrer des Status quo

Wer den Erhalt von Strukturen bevorzugt, wird sich bei der Union gewiss aufgehoben fühlen. Wer mehr verlangt, muss eine andere Partei wählen. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Antje Sirleschtov

Wohlstand und Sicherheit sind zweifellos Werte, die man nicht hoch genug einschätzen kann. Für den Einzelnen und auch für die Entwicklung der Gesellschaft im Ganzen. Wer keine Arbeit hat, kein eigenes oder nicht ausreichend Geld verdienen kann, um sein Leben selbstbestimmt zu führen, der weiß, wovon die Rede ist. Von den Folgen hoher Arbeitslosigkeit etwa für die sozialen Sicherungssysteme ganz zu schweigen. Und über den Wert von Sicherheit muss gar nicht erst ernsthaft diskutieren, wer die besorgniserregenden Entwicklungen der letzten Zeit in Europa und in der Welt beobachtet.

Mit dem einfachen Versprechen von „Wohlstand und Sicherheit“ wollen Angela Merkels CDU und die bayerische Schwesterpartei die Wähler locken. Und der Aussicht, bis 2025 noch einmal gut eine Million Menschen zusätzlich in Arbeit zu bringen, Vollbeschäftigung also. Als Letzte der sich Bewerbenden hat die Union ihr Wahlprogramm vorgelegt. Und die Botschaft darin sollte einigermaßen klar sein: Ganz gleich, was die anderen an umstürzlerischen Veränderungen vorschlagen. Wer Angela Merkel wählt, ist vor Überraschungen gefeit. Das Ziel, Wohlstand und Sicherheit, ist hinreichend ambitioniert für eine Volkspartei formuliert. Was unter der Überschrift folgt, bleibt im Kern ohne Anspruch auf gesellschaftliche Veränderung.

Bedarf nach Reformen

Man kann das kritisieren. Schließlich gäbe es überall in der Gesellschaft Bedarf für Neues. Sei es eine Reform des Krankenversicherungssystems, die Aufkündigung des Bildungsföderalismus oder auch ein Einwanderungsgesetz. Auf all dies gibt das Wahlprogramm der Union eher vage Antworten. Eine Neuordnung und Zusammenfassung der Zuwanderungsparagrafen soll her. Und in die Versorgung von Grundschulkindern mit Hortplätzen will der Bund auch einsteigen, wenn Merkel ihre Kanzlerschaft im Herbst verteidigt. Reformen der Sozialversicherungssysteme, insbesondere bei der Rente, sollen lediglich im Expertenkreis diskutiert werden.

Ein bisschen hier und ein wenig da also. Merkels Agenda ist geprägt von ihren Erfahrungen, nach denen die Deutschen sie nicht als Revolutionärin, sondern als Bewahrerin des Status quo schätzen. Ein einziges Mal hatte sie, 2015 in der Flüchtlingskrise, ihren Vertrag mit den Wählern gekündigt – und war dafür sofort mit Liebesentzug bestraft worden. In diesem Herbst soll ihr das nun nicht noch einmal passieren. Inhaltliche Streitpunkte in der CDU und mit der CSU werden übertüncht, Kontroversen möglichst vermieden. Das geht soweit, dass wichtige Zukunftsfragen, wie etwa die Digitalisierung, auf die Einrichtung einer Kommission und eines Staatsministeramtes reduziert werden oder – wie in der Klima- und Energiepolitik – weitestgehend unbeantwortet bleiben.

Sicherheit übersetzt die Union mit mehr Polizei

Wer bei all den außenpolitischen Katastrophen der Gegenwart dem Bewahren von Strukturen im Inneren des Landes den Vorzug gibt, wird sich in diesem Wahlprogramm von CDU und CSU gewiss aufgehoben fühlen. Sicherheit übersetzt die Union mit mehr Polizei, Wohlstand mit kleinen Entlastungen für alle und dosierten Gaben für Familien und Kinder. Ansonsten herrscht offenbar das Prinzip: Probleme werden gelöst, wenn die Lösung unvermeidlich wird. Wer mehr von Politik verlangt, wird auf andere Kräfte oder auf mutigere Partner der Union setzen müssen.

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