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„Das WIR entscheidet“ – so lautet der Wahlslogan der SPD. Die Union nimmt den Wettbewerb ums WIR-Gefühl gern auf.

© picture alliance / dpa

Wahlprogramm von CDU und CSU: Der Jubel hält sich in Grenzen

CDU und CSU haben ihr gemeinsamen Programm für die Bundestagswahl verabschiedet. Abgesehen von kritischen Tönen seitens der FDP löst das Wahlprogramm der Union keine Kontroverse aus – weil es so gut wie keinen Reformplan enthält.

Von Robert Birnbaum

Der schlaksige Junge mit der coolen Sonnenbrille kriegt sich gar nicht mehr ein. „Isch werd’ berühmt!“, schreit er immer wieder über den Verkehrslärm am Lustgarten hinweg. „Kameras, hierher! Isch geb’ Interviews!“ Vor einer Minute war der junge Schweizer einfach nur einer der Touristen, die an diesem sonnigen Sonntag am Schlossplatz vorbeischlenderte. Aber dann ging da plötzlich diese Frau im türkisfarbenen Jackett direkt auf ihn und seine Freunde zu, stellte sich in die Mitte und ließ sich mit den Handys abfotografieren. Sekunden später verschwindet Angela Merkel in der Humboldt-Box. Die verblüffte Jugend kreischt. Wenigstens ein paar, die begeistert sind, wenn CDU und CSU ihr gemeinsames Wahlprogramm verabschieden.

Ansonsten hält sich der Jubel über das 125-Seiten-Papier ja auch in sehr überschaubaren Grenzen. Inhaltlich steht da nichts, was nicht längst angekündigt war, und auch sonst ist das Programm am besten damit beschrieben, was es nicht enthält: keine nennenswerten Reformpläne nämlich, weder in den Steuer- oder Gesundheits- noch in den „weicheren“ gesellschaftspolitischen Gebieten.

So wenig Ansatz zur Kontroverse bietet das Papier, dass selbst die üblichen Verdächtigen in der Union, der Wirtschaftsflügel und der Sozialflügel, nur pflichtgemäß Einsprüche erheben. Seit dem Versand des Entwurfs am Montag waren rund 50 Änderungsvorschläge eingegangen, allesamt nicht grundsätzlicher Natur. Die gut 120 Mitglieder der beiden Parteipräsidien haben denn auch am Sonntag noch ein wenig geredet und dann allesamt die Hand gehoben.

Merkel und CSU-Chef Horst Seehofer haben also gut lachen. Merkel preist das Programm als eins „für Maß und Mitte“, das anders als die Pläne der Opposition die Menschen und den Mittelstand nicht belaste. Seehofer vermeldet: „Die Stimmung war bestens, die Harmonie groß!“

Nicht ganz so glücklich ist die CDU-Spitze mit gewissen politischen Mitbewerbern. „Es ist unser Programm und nicht das von Herrn Rösler“, merkte schon CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe vor der Sitzung spitz an. Der Herr Philipp Rösler nämlich hatte sich über den Koalitionspartner mit den Worten mokiert, der habe sich „vom süßen Gift des Geldausgebens“ zu Wahlgeschenken verleiten lassen. Überdies enthalte das Programm „kein hartes Dementi“ gegen einen höheren Spitzensteuersatz.

Nun finden es CDU und CSU heimlich ganz gut, wenn die FDP sich abgrenzt. Merkel und Seehofer werben um die breite Mitte, da kann sich der kleine Partner gerne mehr dem wirtschaftsradikalen Rand widmen. Aber dass Rösler sich als Hüter der Haushaltsdisziplin gebärdet und damit auch noch die Angriffslinie der Opposition verstärkt, das geht zu weit. Merkel bekennt sich zwar „ausdrücklich“ zum Ziel, die Koalition fortzusetzen. Aber sie empfiehlt auch: „Lesen Sie das Programm der FDP!“

Das zielt auf den Vorwurf, das Programm von CDU und CSU sei in der Summe der Wohltaten unbezahlbar. Mütterrente, Familiensplitting, allein vier Milliarden mehr für den Straßenbau – für alles zusammen wären zweistellige Milliardensummen fällig. Aber Merkel erinnert daran, dass sich die Freidemokraten selbst freigebig zeigen: Die Angleichung der Kinder-Freibeträge stehe auch im FDP-Programm, von der teuren Abschaffung des Solidarzuschlags zu schweigen.

Die Union legt freilich Wert auf den Hinweis, dass die meisten ihrer Versprechen schrittweise je nach Kassenlage umgesetzt werden sollen. Für Frank-Walter Steinmeier macht das die Sache nicht besser: Mit Finanzierungsvorbehalt werde das Unionswahlprogramm zum „Märchenbuch“. Da ist sich der SPD-Fraktionschef übrigens selten einig ausgerechnet mit dem Chef des CDU-Wirtschaftsrats. Nur dass Kurt Lauk den Gedanken tröstlich fand, dass das Geld für die Wohltaten doch sowieso nicht da sein werde.

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