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Wahlschlappe: Britische Regierung ordnet sich neu

In der Regierung Blair bleibt nach dem Debakel bei den Kommunalwahlen kein Stein auf dem anderen. Ausgetauscht werden Außenminister, Innenminister sowie die Ressortchefs von Europa- und Erziehungsministerium. Blair selbst bleibt allerdings.

London - Nach der seit Jahrzehnten schwersten Niederlage der Labour-Partei bei Kommunalwahlen hat Premierminister Tony Blair am Freitag seinen Innenminister entlassen und die Regierung radikal umgebildet. Britische Kommentatoren bezeichneten das Ausmaß der seit Tagen erwarteten Kabinettsumbildung als «äußerst weit reichend» und «nahezu brutal». Überraschend wurde Außenminister Jack Straw auf den angesichts innerparteilicher Fehden allerdings wichtigen Posten des Labour-Fraktionschefs im Unterhaus gesetzt. Neue Außenministerin wurde die bisherige Umweltministerin Margaret Beckett. Sie ist die erste Frau in diesem Amt.

Das prominenteste Opfer ist Innenminister Charles Clarke, der völlig aus der Regierung ausschied. Der Politiker, der als Vertraueter Blairs galt, war wegen eines Skandals um straffällige Ausländer ins Kreuzfeuer der Opposition geraten. Vize-Premierminister John Prescott, der mit einer erotischen Beziehung zu seiner Sekretärin für Negativ-Schlagzeilen gesorgt hatte, behielt zwar sein Amt, verlor aber wichtige Zuständigkeiten.

Prescotts Affäre sowie die Verärgerung weiter Teile der britischen Bevölkerung über Behördenschlampereien beim Umgang mit straffälligen Ausländern hatten der ohnehin angeschlagenen Labour-Partei erhebliche Stimmenverluste beschert. Wenige Wochen vor dem Urnengang war bekannt geworden, dass mehr als 1000 kriminelle Ausländer nach Verbüßung ihrer Haftstrafen nicht abgeschoben wurden, sondern im Lande bleiben konnten. Darunter waren Mörder und Kinderschänder. Mehrere der Ex-Häftlinge hatten nach ihrer Entlassung neue Verbrechen begangen. Einer soll an der Ermordung einer Polizistin beteiligt gewesen sein.

Die Partei Blairs verlor bei den Kommunalwahlen in England mehr als 230 Mandate in Stadt- und Gemeinderäten und wurde auf kommunaler Ebene nur noch drittstärkste politische Kraft. Die Konservativen legten um mehr als 200 Mandate zu. Einen leichten Zuwachs verzeichneten die Liberaldemokraten. Die rechtsradikale Britische Nationalpartei BNP konnte die Zahl ihrer Mandate auf 44 mehr als verdoppeln. Bei einer Wahlbeteiligung von nur 36 Prozent kamen die Tories auf rund 40 Prozent der Stimmen, gefolgt von den Liberaldemokraten mit 27 und Labour mit 26 Prozent.

Zum Nachfolger des entlassenen Innenministers machte Blair den bisherigen Verteidigungsminister John Reid. Dessen Amt bekam der bisherige Verteidigungs-Staatssekretär Desmond Browne. Blair sagte, er bedauere, dass der Innenminister sich entschieden habe, das Amt zu verlassen. Er sei eine große Stütze gewesen, besonders in den schweren Tagen nach den Terrorangriffen am 7. Juli in London.

Oppositionsführer David Cameron kritisierte die Regierungsumbildung als verzweifelten Versuch einer verbrauchten Regierung, die Macht zu bewahren. Das Land brauche einen politischen Neuanfang. Bis zu den nächsten Parlamentswahlen, deren Termin der Regierungschef festlegt, können jedoch noch vier Jahre vergehen. Bei der letzten Wahl hatte Blair im Mai 2005 Labour nur noch mit sehr knapper Mehrheit den dritten Sieg in Folge sichern können.

In der Labour-Partei erhielten Medienberichten zufolge nach der Regierungsumbildung Spekulationen darüber Auftrieb, wann Blair sein Amt an den Schatzkanzler Gordon Brown abtreten könnte. Brown, der seit einiger Zeit als Labour-«Kronprinz» gilt, bezeichnete die Wahlniederlage als «Warnschuss». Die Labour-Regierung müsse rasch zeigen, dass sie in der Lage sei, angestaute Probleme zu bewältigen.

Bei der Kabinettsumbildung wurde auch die bisherige Erziehungsministerin Ruth Kelly umgesetzt. In den letzten Monaten hatte es Kritik wegen nur schleppend vorankommender Reformen im Bildungswesen und einen Skandal um die Beschäftigung von Pädophilen im Schuldienst gegeben. Kelly übernimmt nun Aufgaben im Bereich des Vizepremiers, dem Kompetenzen entzogen wurden.

Neuer Erziehungsminister wurde Ex-Gewerkschaftsführer Alan Johnson. Dessen bisherige Aufgabe an der Spitze des Handelsministeriums wurde Alistair Darling übertragen. Darlings Posten als Transportminister ging an Douglas Alexander, der wiederum als Europa-Minister durch den von Straw abgelösten Labour-Fraktionschef Geoff Hoon ersetzt wurde. (tso/dpa)

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