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Politik: War es die IRA?

Die Ermordung eines nordirischen Doppelspions der Sinn-Fein-Partei belastet den Friedensprozess

Die Ermordung des nordirischen Doppelspions Denis Donaldson droht zu einer schweren Belastung für den Friedensprozess in der Unruheprovinz zu werden. Das frühere IRA- und Führungsmitglied der katholischen Sinn-Fein-Partei wurde am Dienstag erschossen nahe seinem abgelegenen Landhaus im Nordwesten von Irland gefunden. Die Mörder hatten dem 55-Jährigen eine Hand abgetrennt.

Der frühere Funktionär der Sinn-Fein- Partei war im Oktober 2002 unter dem Verdacht verhaftet worden, im IRA-Auftrag einen Spionagering in der britischen Nordirlandverwaltung aufgebaut zu haben. Die nordirische Regierung zerbrach darüber, Nordirland wird seither wieder von britischen Politikern regiert. Doch die Anklage wurde im vergangenen November überraschend fallen gelassen. Kurz danach bestätigte Donaldson, er habe seit über 20 Jahren für den britischen Geheimdienst gearbeitet.

IRA und Sinn Fein verurteilten den Mord und wiesen jegliche Mitverantwortung zurück. Sinn-Fein-Präsident Gerry Adams bezeichnete die Täter als „Feinde des Friedensprozesses“. Doch die größte Unionistenpartei, die des presbyterianischen Pfarrers Ian Paisley, bezichtigt die IRA offen, den Rachemord veranlasst zu haben. Paisley selbst verlangt eine unwiderrufliche Abkehr von Terror und Kriminalität, bevor Gespräche über eine gemeinsame Regierungsbildung beginnen könnten. Der Gewaltverzicht der IRA vom letzten Juli und die Abrüstung im September seien nicht glaubwürdig.

Der Zeitpunkt des Mordes war kaum zufällig, denn der britische Premier Tony Blair und sein irischer Amtskollege Bertie Ahern hatten angekündigt, an diesem Donnerstag in Nordirland eine neuerliche, vielleicht ihre letzte, politische Initiative zu verkünden. Danach würde das im Herbst 2003 neu gewählte nordirische Parlament, das noch nie zusammengetreten ist, für den 15. Mai einberufen. Die nordirischen Politiker hätten bis Ende November Zeit, eine Koalitionsregierung zu bilden. Sollten sie dabei scheitern, würde das Parlament aufgelöst und nicht wieder gewählt. Der vor acht Jahren am Karfreitag geschlossene Friedenspakt wäre, zumindest institutionell, gescheitert.

Das geplante Ultimatum hatte schon vor dem Mord an Donaldson nur beschränkte Chancen. Die jüngsten Reaktionen der größten Protestantenpartei zeigen nun, dass Pfarrer Paisley kein Interesse hat, seinen Ruf aufs Spiel zu setzen, indem er die Regierungsverantwortung mit Sinn Fein teilt.

Obwohl es höchst unwahrscheinlich ist, dass die IRA-Führung den Mord angeordnet hat, lässt sich das Gegenteil nur schwer beweisen. Erst vor wenigen Wochen förderte eine Razzia auf dem Bauernhof eines führenden IRA-Mannes eine illegale Waschanlage für geschmuggelten Dieseltreibstoff sowie reichlich Bargeld zutage. Vor gut einem Jahr erschütterte die Ermordung des unbeteiligten Katholiken Robert McCartney durch eine Bande von IRA-Mitgliedern beide Teile Irlands. Und wenige Wochen davor wurde die IRA beschuldigt, einen spektakulären Bankraub in Belfast verübt zu haben.

Die Zweifel Paisleys an der Salonfähigkeit der IRA sind somit nicht gänzlich unbegründet. Aber wer auch immer Donaldson umbrachte, wusste genau, wie diese Bedenken geschürt werden können.

Martin Alioth[Dublin]

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