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Moderator und Landesvater möchte Volker Bouffier sein. Foto: dpa

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Politik: Warten auf Ideen

Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier sucht in der Zeit nach Roland Koch seine Rolle – der Opposition geht es nicht anders

Die Wiesbadener Landtagsopposition hat eine klare Meinung: „Kraft- und ideenlos“ nennen SPD, Grüne und Linke die Regierung von Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) zweieinhalb Jahre vor der nächsten Landtagswahl. Dieses Urteil zur Halbzeit der Legislaturperiode hätten sie über Bouffiers machtbewussten Amtsvorgänger Roland Koch sicher nicht gefällt, auch wenn sie den nicht minder kritisch sahen. Seit einem Jahr regiert Kochs früherer Innenminister inzwischen in Hessen, doch die politischen Gegner warten bislang vergeblich auf neue Ideen und Projekte. „Diese Regierung hat nichts erreicht und auch nichts mehr vor“, sagt etwa Grünen-Chef Tarek Al-Wazir.

Aber auch politische Freunde warten. „Ich weiß wirklich nicht, wo er hin will, nur dass er bei der Landtagswahl wiedergewählt werden will“, sagt ein führender CDU-Landespolitiker. Allenfalls in Stilfragen konnte sich Bouffier von seinem Vorgänger absetzen. So lädt er zu den Spitzengesprächen über die Neuordnung der Energiepolitik sogar die Vertreter der Linkspartei ein, die Koch stets ausgegrenzt hatte. Während Koch jede Gelegenheit nutzte, um zu polarisieren, gibt Bouffier den Moderator und Landesvater. Als schulterklopfender Zuhörer reist er durchs Land, besucht Kindertagesstätten und Zoos. Koch dagegen nutzte seine Hessenreisen eher, um eigene Themen zu setzen und Projekte voranzubringen. Auf den Hinweis, als Landes- und stellvertretender Bundesvorsitzender der CDU, werde er – anders als Koch – kaum wahrgenommen, antwortet Bouffier, er habe nicht den Ehrgeiz, jede Woche eine andere Sau durchs Dorf zu jagen. „Er geht auf die Menschen zu“, lobt CDU-Landtagsfraktionschef Christean Wagner.

Eine eher schwache Regierung sollte einer Opposition eigentlich entgegenkommen. Doch auch SPD, Grüne und Linke finden sich nach Kochs Rückzug nur schwer zurecht. Zehn Jahre lang hatten sie mit dem Feindbild „Koch“ ihre Anhänger mobilisieren können. Vor allem für die SPD ist die Lage eher ungemütlich. Bei der Kommunalwahl im März triumphierten auch in Hessen mit 18,3 Prozent allein die Grünen. In Frankfurt am Main und in Darmstadt zogen sie an der SPD vorbei und regieren nun zusammen mit der CDU, in Darmstadt sogar unter einem grünen Oberbürgermeister. Um die OB-Kandidatur der SPD in Frankfurt rangeln zwei Kommunalpolitiker, denen auch ihre eigenen Genossen keinen Sieg zutrauen.

Als „SPD-Kreise“ die ehemalige Bischöfin Margot Käßmann als Nothelferin und mögliche OB-Kandidatin ins Gespräch brachten, winkte die umgehend ab. Denkbar, dass die SPD in zwei Jahren, wenn es um die Nachfolge der Frankfurter Oberbürgermeisterin Petra Roth (CDU) geht, nicht einmal den zweiten Wahlgang erreicht. Das wäre ein schlechtes Signal kurz vor der Landtagswahl. Die Landes- SPD konnte sich unter ihrem Chef Thorsten Schäfer-Gümbel zwar von ihrem Tiefpunkt nach dem gescheiterten Anlauf zu einem rot-rot-grünen Bündnis erholen. Vom ersehnten Comeback in der Staatskanzlei ist sie allerdings weit entfernt.

Geht Bouffiers Rechnung auf, mit dem Image als Landesvater die CDU-Verluste in Grenzen halten zu können, bekommt er alle Trümpfe in die Hand. Weder SPD noch Grüne dürften sich auf ein neues rot-rot-grünes Experiment einlassen wollen. Nur wenn bei der Landtagswahl 2013 Rot-Grün deutlich stärker abschneidet als Schwarz-Gelb, kann Schäfer-Gümbel Ministerpräsident werden. Landet die SPD erneut klar hinter der CDU, kann sich Bouffier einen neuen Wunschpartner aussuchen, entweder eine geschwächte FDP, die geschlagene SPD oder die selbstbewussten Grünen.

Nach dem Atomausstieg sind sich CDU und Grüne nähergekommen. SPD und Grüne trauen sich längst nicht mehr über den Weg. So lästern führende SPD-Strategen über die Grünen als der selbst ernannten Premium-Opposition. Grüne Führungskräfte jammern schon mal über das SPD-Spitzenpersonal, das zu wenig aus der Schwäche der Regierung mache. Bouffiers Rechnung könnte also aufgehen. Der Fraktionschef der gebeutelten FDP, Florian Rentsch, macht sich jedenfalls Mut: Verglichen mit anderen schwarz-gelben Regierungsbündnissen sei das in Hessen ein „Hort der Ausgeglichenheit“.

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