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Politik: Warum die Kämpfer gegen den Sonntagsverkauf im symbolischen Konflikt untergehen werden (Meinung)

Gibt es wirklich kein anderes Streitthema für diesen Sommer? Seit zwei Wochen ist klar, worüber sich Deutschland an den kommenden Wochenenden aufregen will: Jeden Sonntag wird sich ein Kaufhausmanager eine neue Provokation ausdenken und hart am Rande der Legalität die Sonntagsruhe attackieren, wogegen dann ein Wettbewerbsschützer oder Politiker ein Gericht bemühen wird.

Von Hans Monath

Gibt es wirklich kein anderes Streitthema für diesen Sommer? Seit zwei Wochen ist klar, worüber sich Deutschland an den kommenden Wochenenden aufregen will: Jeden Sonntag wird sich ein Kaufhausmanager eine neue Provokation ausdenken und hart am Rande der Legalität die Sonntagsruhe attackieren, wogegen dann ein Wettbewerbsschützer oder Politiker ein Gericht bemühen wird. Diese Scharmützel werden Kirchenvertreter, Gewerkschafter, Deregulierer und höchste Repäsentanten des Staates dann kommentieren. Müssen wir uns also in den kommenden Wochen weiter die Köpfe darüber heißreden, ob religiöse Werte oder soziale Errungenschaften geopfert werden, wenn wir am Sonntag einkaufen dürfen?

Ein wenig seltsam ist die Aufregung schon, in die Kaufhausmanager und ostdeutsche Kommunalpolitiker mit ihren Vorstößen zum Sonntagsverkauf das politische Deutschland versetzt haben. Längst, so erfahren wir nebenbei, arbeitet ein Fünftel aller Beschäftigten in Deutschland an diesem Tag - ohne dass die Warner deshalb die christliche Kultur untergehen sehen.

Viel spricht dafür, dass die Beunruhigung andere Ursachen hat, nämlich die diffuse Angst, die Politik sei gar nicht mehr in der Lage, sich der Kraft der Wirtschaft entgegenzustellen oder deren Ansprüche zurückzuweisen. Es ist eine symbolische Debatte, in der es weniger um den verfassungspolitischen Unterschied zwischen einem Souvenirladen und einem Kaufhaus geht, sondern um anonyme ökonomische Kräfte und das Vermögen des Staates, sie zu kontrollieren. Eine symbolische Debatte, in der es um das Verhältnis von vertrauten Regelungen, die manche einengen, und dem Wunsch nach Entfaltung geht. Denn jeder staatliche Eingriff in die Freiheit, und auch die Sonntagsruhe ist einer, muss begründet werden.

Umbrüche verunsichern - das gilt vor allem für solche, die mit Macht jeden Winkel des Lebens erfassen. Dass sich in einer globalisierten Wirtschaft die Rolle des Staates verändert, empfinden viele mit einem Bestsellertitel als "Terror der Ökonomie". Wenn Spekulanten über den Wert nationaler Währungen bestimmen und Renditen über den Fortbestand von Industriestandorten entscheiden, verlangen tatsächliche oder vermeintliche Opfer staatliche Eingriffe.

Der Schutz von Reservaten, die dem Zugriff ökonomischer Interessen entzogen sind, ist eine staatliche Aufgabe - sonst könnte man an Kinder Alkohol ausschenken, Universitätsabschlüsse versteigern und eigene Organe zur Transplantation verkaufen. Zivilisierte Länder mühen sich, diese Rechtsstandards zu garantieren. Der Sonntag aber, das zeigen auch europäische Beispiele, gehört nicht in diesen heiligen Kanon.

Es ist dieser Debatte völlig egal, dass heute schon viele am Sonntag arbeiten. Die Warner verlangen ein symbolisches Einschreiten gegen die Ökonomisierung der Welt. Dass die globale Verfügbarkeit von Waren, Geld und Informationen zwar von wirtschaftlichen Interessen vorangetrieben wird, aber auch nichtkommerziellen Initiativen große Chancen bietet, spielt keine Rolle. Gefordert ist ein Beweis staatlicher Handlungsfähigkeit am falschen Beispiel. Sonntagsverkauf ruiniert die Sonntagskultur nicht, wie der Blick über die Grenzen zeigt. Den symbolischen Konflikt können die Warner deshalb nur verlieren. Und das ist schade. Denn auch wer vehement für die Selbstbestimmung des Einzelnen kämpft, muss zugeben: Eine verbindliche Antwort auf die Frage, wie weit die Wirtschaft gehen darf, haben wir längst nicht mehr.

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