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Politik: Was bleibt

MÖLLEMANN UND DIE FDP

Von Tissy Bruns

Am Ende dieses Politikerlebens stehen wilde Anklagen. Alle Fähigkeiten zur öffentlichen Heuchelei versagen im Fall des Jürgen Möllemann. Es lässt sich für ihn kein Schlussakt finden, der auch nur zum Schein zusammenfügt, was sein politisches Leben ausgemacht hat. Möllemann und die FDP sind zu Feinden geworden. Sein Tod beendet diese Feindschaft nicht. Er rührt, im Gegenteil, die Frage nach der Schuld am Debakel des vergangenen Jahres mit aller Macht wieder auf.

Das ist eine öffentliche Angelegenheit und etwas anderes als die Schuldfragen, die Möllemanns Witwe, seine Freunde oder die Staatsanwälte stellen. Die Ermittler werden den Gerüchten um Geschäfte und Verbindungen nachgehen. Dass er mit seinem Tod die Möglichkeiten zur Aufklärung begrenzt hat, gehört zum Bild von Möllemann – da gab und gibt es etwas im Verborgenen. Es ist Privatsache, ob seine Angehörigen und Freunde akzeptieren, dass keine persönliche Schuld für Möllemanns Tod in der FDPSpitze zu finden ist. Denn unter allen, die diese Partei geführt haben, war er ohne Zweifel der größte Antreiber, der am heftigsten Getriebene.

Dieser Antreiber fehlt Guido Westerwelle jetzt, und darum wird er niemals Außenminister, hat Möllemann in einem postum veröffentlichten Interview dem siegreichen Widersacher schadenfroh hinterhergerufen. Da irrte er, weil Westerwelle selbst ein quirliges politisches Temperament ist. Aber der schwarze Spott trifft trotzdem. Denn nach diesem spektakulären Tod fällt auf Westerwelle zurück, was die FDP und ihr Vorsitzender auf den lebenden Möllemann bequem abwälzen konnten: die Verantwortung für das Debakel des Wahljahrs, für die große Hybris mit der 18, die das Programm der Liberalen erschlagen und sie an die Grenze zum Antisemitismus geführt hat.

Was die FDP dem Ausgestoßenen vorhält und mit ihm aus sich heraustreiben wollte, das hat sie im Wahljahr ja selbst verkörpert: die Maßlosigkeit. Ein Parteitag im kollektiven Rausch, eine Generalsekretärin als blau-gelbe Werbewand, ein Parteichef, der sich in eine Rolle hochtrieb, die er Möllemann ein Jahr zuvor noch aus der Hand geschlagen hatte: die des Kanzlerkandidaten. Es war ein erbarmungswürdiges Ende eines Prozesses, der vor zehn Jahren begonnen hat. Der sich um ein echtes Anliegen gedreht hat, die Erneuerung der FDP. Der die kühle FDP aber auch in Machtkämpfe und an Abgründe geführt hat, die Shakespeare inspiriert hätten.

Die FDP musste ihren Weg aus der babylonischen Gefangenschaft, aus der verzehrenden Dauerkoalition mit der Union suchen, als Hans-Dietrich Genscher 1992 ging. Irmgard Schwaetzer weinte, als Klaus Kinkel mit Möllemanns Hilfe sich als neuer Außenminister gegen sie durchsetzte. Kinkel musste kaum zwei Jahre später in Gera getröstet werden. So ist die FDP eben, erst Hosianna, dann kreuziget ihn, klärte der Ehrenvorsitzende Lambsdorff Kinkel auf – der im folgenden Jahr als Parteichef trotzdem stürzte. Es stieg und fiel und stieg der Querkopf Möllemann, mit seiner Hilfe wurde Wolfgang Gerhardt beiseite geschoben und Westerwelle wurde Parteichef. Die dienstälteste Regierungspartei Deutschlands war derweil in die Opposition geraten, ohne Profil und ohne Unterbau in Kommunen und Ländern. Im Hintergrund stand die Frage: Was ist, was will die FDP?

Unter Westerwelle hat sich die FDP erneuert. Sie hat sich gelöst von der Union, sie gilt als die Partei, die weniger Staat und mehr Bürgerverantwortung will. Aber Westerwelle hat, den Wahltriumph in Sachsen-Anhalt im Rücken und die schnelle Rückkehr zu Regierungsmacht vor Augen, die Grenzen zum politischen Übermut überschritten. Möllemann hat sie nie beachtet und damit in übersteigerter Form verkörpert, was eben auch zur FDP gehört. Er strebte unbedingt zur Macht, und wer dabei erfolgreich ist, den mag die FDP. Mit der Liebe zur Macht ist ihr die Neigung zu Intrigen und Machtkämpfen in besonderer Weise eingebrannt. Ausgerechnet der maßlose Möllemann hat mit seinem spektakulären Tod darauf verwiesen, dass alles Grenzen hat. Das ist ein Fingerzeig in Richtung FDP. Westerwelle wird die Partei immer wieder erinnern an das Desaster Möllemann – und ihn deshalb nur schwer ertragen können.

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