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Politik: Was die Politik will

Für mehr Betreuung sind (fast) alle. Woher das Geld kommen soll? Darüber wird in SPD und Union gestritten – und in der Koalition sowieso

Deutschland soll in den nächsten fünf Jahren einige hunderttausend neue Kinderkrippenplätze bekommen. Dieses Ziel hat Familienministerin Ursula von der Leyen (CDU) vor einigen Monaten ausgerufen – und darauf hat sie sich beim so genannten Krippengipfel Anfang April mit den Ländern und Kommunen auch verständigt. Ihr Angebot lautete damals: 750 000 Plätze soll es im Land 2013 geben – und der Bund wird sich an dieser Aufgabe finanziell angemessen beteiligen. Die Begründung: Der Ausbau der Betreuungskapazitäten für Kleinkinder ist eine bundesweite Herausforderung. Weil in den alten Bundesländern beinahe flächendeckend nur jede zehnte Familie einen Betreuungsplatz für Kinder unter drei Jahren finden kann und die Qualität im Osten verbessert werden muss, so Leyens Argument, muss der Bund dafür sorgen, dass die Eltern mehr Wahlfreiheit in der Gestaltung des Alltags mit Kindern bekommen.

So zustimmend die Botschaft der Familienministerin bei all jenen aufgenommen wurde, die den Betreuungsausbau befürworten, so kritisch sehen sie ihre Gegner. Denn sie fürchten, dass der starke Zuwachs an Krippenplätzen den gesellschaftlichen Druck auf Eltern zur Berufstätigkeit erhöhen und damit – schleichend – das deutsche Familienbild verändern wird. Vor allem deshalb fordern einzelne Abgeordnete des Bundestages, aber auch Landespolitiker, gleichzeitig auch Geld für Eltern zur Verfügung zu stellen, die ihre Kinder zu Hause betreuen. Allerdings finden solche Vorschläge bisher weder in der Fraktionsspitze der Union noch bei der CDU-Familienministerin Zustimmung.

Schon allein den raschen Anstieg der Krippenplätze zu finanzieren, stellt sich im Augenblick als äußerst kompliziert dar. Leyens Schätzungen gehen von Gesamtkosten in Höhe von rund drei Milliarden Euro aus, was die Kommunen als viel zu gering ansehen. Doch selbst wenn Kommunen und Länder bereit wären, je ein Drittel der drei Milliarden Euro zu tragen, müsste die Familienministerin eine Milliarde Euro aufbringen – und zwar jährlich. Das scheint im Augenblick unmöglich. Pochen die Haushaltsexperten in Regierung und Koalitionsfraktion doch darauf, das oberste Ziel der großen Koalition – die Etatsanierung – nicht aufzugeben, was so viel heißt wie: Jeder zusätzliche Euro wird in die Senkung der Nettoneuverschuldung gesteckt. Kein frisches Geld also für Krippen.

Der Familienministerin bliebe einzig der Weg, aus dem Topf der 185 Milliarden Euro im Familienbudget Leistungen zugunsten des Krippenausbaus zu kürzen. Das jedoch ist politisch kaum durchsetzbar. Jede Kürzung – ob beim Witwengeld oder dem Ehegattensplitting – würde von ihren Gegnern im eigenen Lager als Raubbau an den Familien diskreditiert. Selbst aus der Arbeitsgruppe der Familienministerin – 2006 zur Überprüfung aller familienpolitischen Leistungen eingesetzt – kann Leyen kurzfristig keine Hilfe erwarten. Zum einen ist die Arbeit der Wissenschaftler längst nicht beendet. Zum anderen, so ist aus dem Wissenschaftlerkreis zu hören, werden Milliardenbeträge kaum zur Neuverteilung frei werden.

Bis zum 14. Mai muss sich die Familienministerin nun mit SPD-Finanzminister Peer Steinbrück auf einen Finanzierungsweg geeinigt haben. Denn an diesem Abend will der Koalitionsausschuss Entscheidungen treffen. In den bereits laufenden Beratungen der beiden Ministerien geht Leyen davon aus, dass sie kaum mehr als 600 Millionen Euro beschaffen kann. Dies ist die Summe des Kindergeldes, das der Bund in den nächsten Jahren sparen wird, weil es weniger Kinder und damit weniger Kindergeldempfänger geben wird. Zusätzliche Steuereinnahmen, allerdings ist das nur ein vager und nicht besonders hoher Betrag, setzten die Familienpolitiker zudem an, weil Eltern, wenn sie Krippenplätze haben, arbeiten, Steuern zahlen und keine Lohnersatzleistungen brauchen. Der Finanzminister, so heißt es im Ministerium, befürwortet diese Pläne bisher nicht. Man erwarte ein „solides“ Finanzierungskonzept und keine Ansammlung von Hoffnungen auf den Haushalt der Zukunft.

An dieser Stelle kommt die etwas undurchsichtige Rolle der SPD ins Spiel. Die Partei hat sich im Frühjahr mit einem familienpolitischen Konzept – das allerdings noch von keinem Gremium der Partei verabschiedet wurde – zu Wort gemeldet. Darin werden noch weit höhere und vor allem teurere Forderungen für den Krippenausbau formuliert als die der CDU-Ministerin. Bis 2010 bereits wollen die Sozialdemokraten einen Rechtsanspruch auf einen Krippenplatz durchsetzen und dafür 4,2 Milliarden Euro einsetzen, am Ende versprechen sie sogar den kostenlosen Betreuungsplatz. Den raschen Rechtsanspruch jedoch haben die Mehrzahl der Länder und Kommunen abgelehnt. Schließlich gerieten die alten Bundesländer unter ungeheuren Druck, wenn in zweieinhalb Jahren jede Mutter einen Krippenplatz vor Gericht einklagen könnte. Außerdem schlägt die SPD zur Finanzierung ausschließlich Mittel vor, die der SPD-Finanzminister im Konzept der CDU-Ministerin ablehnt (Kindergeldeinsparung), oder solche, die mit der Union, aber auch Teilen der SPD nicht durchsetzbar wären: der Wechsel vom Ehegatten- zum Realsplitting, was Familien 1,9 Milliarden Euro kosten würde, die Senkung des Steuerfreibetrages für Betreuung (300 Millionen Euro) und die Aussetzung der nächsten Kindergelderhöhung (1,9 Milliarden Euro).

Zu all dem gesellt sich noch ein rechtliches Problem, das die Föderalismusreform produziert hat: Der Bund hat es seitdem schwer, Geld an die Kommunen zu verteilen für Aufgaben, die nicht in Bundeskompetenz fallen. In der Koalition werden Optionen wie eine Grundgesetzänderung oder eine Mehrwertsteuerumverteilung mit Staatsvertrag diskutiert – alles Varianten, die viel Zustimmung brauchten. Und genau die scheint im Moment wenig wahrscheinlich.

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