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Hillary Clinton setzte auf freiwillige Helfer - die SPD hat das beeindruckt: In Cincinatti brachte Hollywood-Star Justin Bartha (M) Studenten mit einem Fahrservice zum "Early Voting" ins Wahllokal.

© dpa

Was die SPD vom US-Wahlkampf lernen will: Amerika, du kannst es besser

Das Duell Clinton gegen Trump haben die Sozialdemokraten genau studiert. Professionelle US-Techniken sollen ihnen bei der Bundestagswahl helfen.

Von Hans Monath

Vor zwei Wochen ging Ralf Stegner in Cleveland mit einem Klemmbrett in der Hand von einer Adresse zur anderen und hörte zu, wie freiwillige Wahlhelfer für Hillary Clinton warben. Der Straßeneinsatz des stellvertretenden SPD-Vorsitzenden im US-Bundestaat Ohio war Teil einer Dienstreise, auf der auch SPD-Schatzmeister Dietmar Nietan, Bundesgeschäftsführerin Juliane Seifert und Experten des Willy-Brandt-Hauses studierten, was die deutschen Sozialdemokraten vom amerikanischen Wahlkampf lernen können. An der "Door-knocking Campaign" etwa beeindruckte sie, mit welch logistisch ausgefeilten Methoden die Clinton-Unterstützer sicherstellen, dass ihre Sympathisanten auch ihre Stimme abgeben: Erklärt ein vorher durch Daten identifizierter Sympathisant beim Hausbesuch, die Kandidatin zu wählen, erhält er später rechtzeitig einen Anruf, der ihn an sein Versprechen erinnert. Notfalls schicken die "Campaigner" ein Auto, um ihn zum Wahllokal zu bringen.

Stegner, der in den USA studiert hat und kürzlich auch Clintons Nominierungsparteitag live verfolgte, will die Erfahrung nutzen. "Der Organisationsapparat ist beeindruckend", meint der Beobachter. Deren Mitarbeiter hätten ein dichtes Netzwerk von engagierten Menschen aufgebaut. "In Deutschland nimmt die Organisationskraft der Parteien ab", sagt er. "Deshalb werden wir uns verstärkt darum bemühen, Freiwillige für unseren Wahlkampf zu gewinnen."

Mit welchem Idealismus auch US-Hochschulabsolventen für ein politisches Ziel arbeiten, statt Geld zu verdienen, beeindruckte auch Juliane Seifert. "Wahlkampf ist cool in den USA", meint die SPD-Bundesgeschäftsführerin. Im Gegensatz dazu müssten deutsche Wahlkämpfer erleben, dass Engagement für Parteien hierzulande wenig gelte. In den USA sei es umgekehrt: "Wenn sich jemand freiwillig für eine Kandidatin oder einen Kandidaten einsetzt, wird das geachtet."

Obwohl die Sozialdemokraten weit mehr mit Hillary Clinton als mit Donald Trump verbindet, trafen sie auch Republikaner und Clinton-Gegner. "Ich fand es faszinierend, wie die amerikanischen Wahlkämpfer es schaffen, ihre Ressourcen effizient einzusetzen, um ihre Wähler direkt anzusprechen", sagt Seifert. "Davon wollen wir lernen. Wir wollen nach amerikanischem Vorbild besser werden, gezielt dort hinzugehen, wo wir Menschen überzeugen können."

Ein Linguist soll der SPD helfen, ihre Botschaften verständlich zu machen

Auch bei der Nutzung von Daten und dem Einsatz sozialer Netzwerke sind die Amerikaner weit voraus. Das ist der SPD nicht erst beim jüngsten Besuch aufgefallen. „Wir wollen nicht und werden nicht so viele Informationen über einzelne Wähler sammeln, wie das in den USA gemacht wird“, kündigt Stegner an. Seine Botschaft heißt: "Es genügt nicht, in der Wahlkampfzentrale Slogans zu entwerfen, wir müssen näher an die Wähler ran."

Schon seit zwei Jahren arbeitet die SPD mit Jim Messina, Barack Obamas legendärem Wahlkampfmanager, an der Verbesserung ihrer digitalen Möglichkeiten. "Wir waren im Wahlkampf 2013 noch nicht in der Lage, so datengestützt vorzugehen, wie das im nächsten Jahr möglich sein wird", sagt Seifert. Seit eineinhalb Jahren tüftelt ein Team von Informatikern, Statistikern und Soziologen an dem Datenprojekt. Nun könne die SPD ihren Wahlkämpfern bessere Hilfsmittel in die Hand geben, damit sie genauer wüssten, wo potenzielle Wähler wohnten.

Es gibt vieles im US-Wahlkampf, das Sozialdemokraten abstößt – vom Show-Charakter der Kandidatenauftritte bis zum Einfluss privater Spender auf den Wahlausgang. An Clintons Partei imponierte den deutschen Besuchern aber, wie gut es den Demokraten gelinge, Zuversicht und Fortschritt zu verkörpern: "Das ist Teil ihrer politischen DNA und reicht bis in ihre Sprache hinein", sagt Seifert. Weil auch die SPD auf Fortschritt setze, meint die Geschäftsführerin: "Wir wollen die Sprache der Sozialdemokratie zuversichtlicher und klarer machen."

Längst arbeitet das Willy-Brandt-Haus mit einem Linguisten zusammen und bietet Schulungen und Workshops an. Texte sollen daraufhin untersucht werden, ob sie pessimistisch oder technokratisch wirken, ob politische Angebote als Absage an andere Angebote formuliert sind oder sich in eine positive Erzählung fügen.

Bei allen Unterschieden sieht die Bundesgeschäftsführerin auch Gemeinsamkeiten: Es gehe nicht nur um eine Entscheidung über die nächste Regierung, sondern darum, ob die Spalter der Gesellschaft Erfolg hätten. Die SPD werde deshalb im Wahlkampf alle dazu aufrufen, sich für eine offene und solidarische Gesellschaft einzusetzen und sich "gegen die zu stellen, die die demokratischen Institutionen und auch die Medien verächtlich machen".

Um dieses Programm unter die Menschen zu bringen, steht der SPD allerdings deutlich weniger Geld zur Verfügung als den US-Demokraten. Deren Maschinerie gibt umgerechnet rund 1,2 Milliarden Euro aus. Die Sozialdemokraten können dagegen im kommenden Jahr wahrscheinlich nur rund ein Fünfzigstel dieser Summe aufbringen.

Der Text erschien zuerst in der Beilage "Agenda" des Tagesspiegels.

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