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Was Flexibler Eintritt bedeutet: Früher oder später in Rente - welche Möglichkeiten gibt es?

Manche können den Ruhestand nicht erwarten, andere wollen gar nicht aus dem Arbeitsleben ausscheiden. Nun wird über sinnvollere Übergänge in die Rente diskutiert. Wie flexibel ist der Renteneintritt?

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Das Rentenpaket gehört zu den umstrittensten Vorhaben der großen Koalition: Bis 2030 werden die umfangreichen Versprechen von Union und SPD mindestens 160 Milliarden Euro kosten. In den Koalitionsverhandlungen verständigten sich CDU, CSU und SPD darauf, dass jede Partei ihr Lieblingsprojekt umsetzen darf. Für die Union waren das finanzielle Verbesserungen für ältere Mütter („Mütterrente“), für die SPD war es die abschlagsfreie Rente mit 63 Jahren.

Doch bei der Rente es allen recht zu machen, ist ohnehin ein Ding der Unmöglichkeit. Zu unterschiedlich sind die Interessen zwischen Jungen und Alten, Erwerbstätigen und Rentnern, Politik und Wirtschaft. Aber eine unabweisbare Notwendigkeit, regelnd in die Rentensystematik einzugreifen, ergibt sich aus dem demografischen Faktor. Weil die Lebenserwartung steigt und immer weniger junge Leute für die Rente von immer mehr älteren aufkommen müssen, hat die Bundesregierung gegengesteuert: Seit 2012 steigt das Renteneintrittsalter schrittweise von 65 auf 67 Jahre an. Wer vor 1947 geboren ist, ist davon nicht betroffen, er konnte regulär mit 65 seine gesetzliche Rente bekommen. Doch vom Geburtsjahrgang 1947 an erhöht sich das Renteneintrittsalter in jedem Jahr um einen Monat, vom Jahrgang 1958 an in Zwei-Monatsschritten. Wer also in diesem Jahr 65 Jahre alt wird, muss bereits drei Monate länger arbeiten, um seinen vollen gesetzlichen Rentenanspruch geltend machen zu können. Die 1964 Geborenen sind die ersten, die dann bis 67 arbeiten müssen, um ihre volle gesetzliche Rente zu erhalten.

Es gibt jedoch Ausnahmen: Arbeitnehmer, die 45 Jahre lang Rentenbeiträge eingezahlt haben, können weiterhin mit 65 Jahren in Rente gehen und müssen keine Abschläge hinnehmen. Dabei werden auch Kindererziehungszeiten berücksichtigt. Und wer partout nicht so lange warten will, kann auch früher aus dem Arbeitsleben aussteigen, nämlich ab 63. Dann muss er oder sie allerdings für jeden Monat des früheren Renteneintritts 0,3 Prozentpunkte Abschläge von seiner zu erwartenden Rente hinnehmen.

Manche, wie der Sozialwissenschaftler Meinhard Miegel, wollen die festen Altersgrenzen gänzlich abschaffen. Andere plädieren für sanftere, individuellere Übergänge von der Arbeits- in die Rentenphase. Flexibilisierung ist das große Stichwort. Wir haben die Möglichkeiten im Folgenden zusammengefasst – zum früheren und zum späteren Renteneintritt.

Früher in Rente gehen

Rente mit 65, ohne Abschläge

Wer sein Leben lang gearbeitet hat, soll trotz der Anhebung der Regelaltersgrenze weiter mit 65 Jahren in Rente gehen können, ohne Abschläge in Kauf nehmen zu müssen. Auf diese Ausnahme von der Rente mit 67 hatten sich Union und SPD in der letzten großen Koalition verständigt – mit dem Argument, dass auch Rücksicht auf Berufe mit starken körperlichen Belastungen genommen werden müsse. Der damalige SPD-Chef Kurt Beck nannte beispielhaft die Dachdecker. Deshalb wurde die Rente für „besonders langjährig Versicherte“ eingeführt. Wer auf 45 Beitragsjahre kommt, kann diese Rente beantragen. Als Beitragszeit werden neben den versicherungspflichtigen Arbeitsjahren auch Zeiten der Kindererziehung (bis zu zehn Jahre), sowie Krankengeldbezug und Wehr- und Zivildienst gezählt. Zeiten der Arbeitslosigkeit bleiben außen vor. Wer diese Rente beantragt, nimmt allerdings in Kauf, dass seine Rente geringer ausfällt als wenn er noch zwei Jahre länger arbeiten würde. Denn durch die Rentenbeiträge in diesen beiden Jahren würden auch die Anwartschaften steigen. Das gilt auch für die abschlagsfreie Rente mit 63, welche die große Koalition ab Juli diesen Jahres einführen will (siehe unten).

Rente mit 63, mit Abschlägen

Es ist heute auch möglich, bereits mit 63 Jahren in Rente zu gehen. Dafür werden allerdings Abschläge fällig – maximal bis zu 14, 4 Prozent. Voraussetzung für die Altersrente für „langjährig Versicherte“ ist, dass 35 Jahre lang Beiträge in die Rentenkassen gezahlt wurden. Angerechnet werden neben den eigenen Beitragszeiten auch Jahre, in denen man aus persönlichen Gründen keine Rentenbeiträge zahlen konnte (etwa wegen Krankheit, Arbeitslosigkeit, Schulausbildung oder Studium). Wie hoch die Abschläge ausfallen, hängt vom Geburtsjahrgang ab. Denn bei dieser Rentenart macht sich die Anhebung der Regelaltersgrenze von 65 auf 67 Jahre bemerkbar: Wer vor 1949 geboren wurde, für den sind die Abschläge bei einem Rentenbeginn mit 63 Jahren mit 7,2 Prozent noch vergleichsweise überschaubar. Für die Jahrgänge ab 1964 fallen die Einbußen mit 14,4 Prozent deutlich höher aus. Zwischen diesen Geburtsjahrgängen steigen die Abschläge stufenweise.

Rente mit 63, ohne Abschläge

Die SPD hat in den Koalitionsverhandlungen durchgesetzt, dass es künftig machbar sein soll, mit 63 Jahren auch ohne Abschläge in Rente zu gehen. Diese Möglichkeit wird es allerdings nur für einen begrenzten Personenkreis geben. Denn den Renteneintritt mit 63 Jahren können nur die Geburtsjahrgänge vor 1953 in Anspruch nehmen. Danach steigt die Altersgrenze auch für diese Rentenart in Zwei-Monats-Schritten. Das heißt konkret: Der Jahrgang 1953 kann erst mit 63 Jahren und zwei Monaten in Rente gehen, der Jahrgang 1954 mit 63 Jahren und vier Monaten. Für den Jahrgang 1964 und folgende liegt die Altersgrenze wieder bei 65 Jahren. Außerdem muss man 45 Beitragsjahre vorweisen können. Kritiker monieren, dass dies in erster Linie männliche Facharbeiter schaffen werden. Anders als bei der abschlagsfreien Rente mit 65 sollen auch Zeiten der Arbeitslosigkeit berücksichtigt werden. Zwischen Union und SPD ist allerdings noch umstritten, in welchem Umfang. In ihrem Gesetzentwurf schlägt Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) vor, dass Kurzzeitarbeitslosigkeit angerechnet werden soll. Das würde Zeiten umfassen, in denen jemand Arbeitslosengeld bezogen hat, aber nicht Hartz IV oder die frühere Arbeitslosenhilfe. Aus der Union gibt es hingegen immer wieder Forderungen, maximal fünf Jahre Arbeitslosigkeit zu berücksichtigen.

Rente wegen Altersteilzeit oder Arbeitslosigkeit

Diese Frührenten laufen mittlerweile aus. Nur wer vor 1952 geboren wurde, kann im Moment noch die „Altersrente nach Altersteilzeitarbeit oder Arbeitslosigkeit“ beziehen. Diese macht es möglich, mit 63 Jahren in den Ruhestand zu gehen, bei Abschlägen von 0,3 Prozent pro Monat. Diese Modelle sind aber nicht verlängert worden, weil die Anreize zur Frühverrentung beendet werden sollten.

Erwerbsminderungsrente

Wer aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr oder nur noch stark eingeschränkt arbeiten kann, erhält unter bestimmten Voraussetzungen eine Erwerbsminderungsrente. Diese gibt es allerdings auch erst ab dem 63. Lebensjahr ohne Abschläge, vorher werden Abschläge von 0,3 Prozent pro Monat fällig, maximal allerdings 10,8 Prozent.

Rente mit Zuverdienst

Wer vorzeitig in Rente geht und eine der oben genannten Rentenarten bezieht, muss bestimmte Regeln beachten, wenn er sich nebenher etwas dazu verdienen will. Denn es gibt Zuverdienstgrenzen – zumindest so lange, bis der Betroffene das reguläre Renteneintrittsalter erreicht hat. Grundsätzlich gilt: Je mehr jemand durch eine Arbeit verdient, desto stärker wird seine gesetzliche Rente gekürzt. Beim Bezug einer Vollrente bleiben derzeit nur 450 Euro frei – das entspricht der Minijob-Grenze. Die schwarz-gelbe Vorgängerregierung hatte erwogen, diese Zuverdienstgrenzen großzügiger zu handhaben. Doch zu einer gesetzlichen Änderung kam es am Ende nicht. Nun wird das Thema in Teilen der großen Koalition wieder neu diskutiert.

Die andere Seite: Später in die Rente gehen

Länger arbeiten, später Rente beantragen

Wer länger als bis zum gesetzlichen Renteneintrittsalter arbeiten will, kann das schon heute tun – vorausgesetzt, der Arbeitgeber spielt mit. Im Normalfall muss der Chef einer solchen Verlängerung des Arbeitsverhältnisses zustimmen, denn in vielen Arbeits- oder Tarifverträgen ist eine Altersgrenze vorgesehen. Von dieser Möglichkeit machen bislang allerdings nur wenige Arbeitnehmer Gebrauch. Im Jahr 2012 waren es bundesweit gut 6100 Männer und 7800 Frauen, die erst mit 66 Jahren oder später eine Vollrente beantragt haben, wie Statistiken der Deutschen Rentenversicherung Bund zeigen. Bei knapp 650 000 Neurentnern waren es also gerade mal 2,2 Prozent, die beschlossen haben, ihren Start ins Rentnerdasein hinauszuschieben. Zum Vergleich: Knapp sechs Prozent der Frauen und Männer haben in dem Jahr bereits mit 60 Jahren ihre Rente beantragt.

Wer länger arbeitet, erhält später auch mehr Rente. Und zwar aus zwei Gründen: Zum einen erhöht der Betroffene seine Rentenansprüche, weil er seinen Renteneintritt auf einen späteren Zeitpunkt hinausschiebt. Er erhält einen finanziellen Ausgleich, weil er für eine gewisse Zeit auf die ihm eigentlich zustehende Rente verzichtet (so wie umgekehrt jemand, der früher in Rente geht, auch Abschläge in Kauf nehmen muss). Für jeden Monat gibt es zusätzlich 0,5 Prozent, nach einem Jahr sind es also sechs Prozent. Es gibt aber auch noch einen zweiten Effekt, der die Rente darüber hinaus erhöht: Da während der Beschäftigung auch weiter Rentenbeiträge vom Arbeitgeber und vom Arbeitnehmer gezahlt werden, steigt der Rentenanspruch noch einmal in dem Umfang. Derzeit liegt der Rentenbeitrag bei 18,9 Prozent.

Eine Beispielrechnung: Ein so genannter Standardrentner, der 45 Jahre lang durchschnittlich verdient hat, kommt derzeit im Westen auf eine Rente von 1266,30 Euro im Monat. Wenn er sich entscheidet, ein Jahr länger zu arbeiten, erhält er einen Aufschlag von sechs Prozent, also knapp 76 Euro. Hinzu kommt ein Entgeltpunkt für die in dem Jahr gezahlten Rentenbeiträge, derzeit wären das 28,14 Euro. Insgesamt erhöht sich sein Rentenanspruch also auf etwas mehr als 1370 Euro. Macht ein Plus von mehr als 100 Euro im Monat.

Länger arbeiten, gleichzeitig eine Rente beziehen

Es ist auch möglich, über die Regelaltersgrenze hinaus zu arbeiten und trotzdem schon eine Rente zu beantragen. Die Betroffenen erhalten dafür allerdings keine Zuschläge von der Rentenversicherung: Schließlich beziehen sie neben ihrem Gehalt bereits eine gesetzliche Rente. Und da sie als Vollrentner auch keine Rentenbeiträge mehr zahlen, erhöht sich ihr Rentenanspruch nicht mehr. Sofern sie die gesetzliche Regelaltersgrenze erreicht oder überschritten haben, dürfen Rentner unbegrenzt Geld nebenher verdienen. Sind sie jünger und beziehen eine vorgezogene Rente (etwa die abschlagsfreie Rente mit 65 Jahren), dann gelten bestimmte Zuverdienstregelungen (siehe „Früher in Rente“).

Warum Rentner trotz ihres wohlverdienten Ruhestandes nebenher arbeiten gehen, dazu gibt es verschiedene Erklärungen. Einige müssen ihre geringe gesetzliche Rente durch Minijobs aufbessern, andere wollen sich nützlich machen. Und manch einer will vielleicht den finanziellen Nachteil ausgleichen, der nach einer Scheidung dadurch entsteht, dass es für die Ehejahre einen Versorgungsausgleich bei der Rente gibt.

Unions-Vorschlag: Die Flexi-Rente

Die Union will nun dafür sorgen, dass es für die Wirtschaft finanziell attraktiver wird, Rentner anzustellen. Derzeit muss ein Arbeitgeber Rentenbeiträge zahlen, wenn er jemanden beschäftigt, der bereits eine Vollrente bezieht. Von dieser Beitragspflicht sollen die Betriebe entbunden werden, fordert etwa der Vorsitzende der Mittelstandsvereinigung der Union, Carsten Linnemann. Der Wirtschaftsflügel der Union hadert mit der abschlagsfreien Rente mit 63, welche die SPD in den Koalitionsverhandlungen durchgesetzt hat. Linnemann und seine Mitstreiter fürchten ebenso wie die Wirtschaftsverbände, dass dadurch eine neue Frühverrentungswelle in Gang gesetzt werden kann.

Von seinem Vorschlag verspricht sich der CDU-Politiker das Signal, dass auch längeres Arbeiten erwünscht ist. Er fordert außerdem, das Arbeitsrecht so zu ändern, dass ein Arbeitgeber seinen früheren Mitarbeiter auch nach dessen Rentenbeginn problemlos wieder befristet einstellen kann. Die Idee, die unter dem Namen „Flexi-Rente“ kursiert, wird auch von Unions-Fraktionschef Volker Kauder (CDU) unterstützt. Doch im Haus von Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) ist man eher skeptisch. Nach groben Schätzungen müssten die Rentenkassen jährlich auf Beiträge in Höhe von knapp einer Milliarde Euro verzichten. Wenn die Beitragspflicht abgeschafft werde, bestehe außerdem die Gefahr, dass Arbeitgeber bevorzugt versicherungsfreie ältere Beschäftigte zu Lasten Jüngerer einstellen, für die noch Beiträge entrichtet werden müssen. Die bestehende Regelung diene auch „der Gleichbehandlung“, hieß es kürzlich in einer Antwort des Arbeitsministeriums auf eine Frage des Grünen-Rentenexperten Markus Kurth.

Welche alternativen Vorsorge-Optionen gibt es? Hier mehr dazu.

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