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Politik: „Was jetzt vorliegt, ist verlässlich“

SPD-Generalsekretär Scholz verspricht: Weitere Einschnitte drohen nicht. Und mit der Union will er kooperieren

Hat Gerhard Schröder am Freitag den Sozialdemokraten aus dem Herzen gesprochen?

Es war auf alle Fälle eine sozialdemokratische Politik, die der Bundeskanzler angekündigt hat. Es geht darum, wie wir in einer veränderten Welt und in einer sehr schwierigen Lage den Sozialstaat erhalten können. Ich bin sogar sicher: nur wir Sozialdemokraten können eine so große Aufgabe meistern. Nur wir können dafür sorgen, dass selbst unter solchen Bedingungen die soziale Marktwirtschaft eine Zukunft hat.

Ist es sozialdemokratisch, wenn Sie alte Forderungen der Union umsetzen?

Die Union hat gar kein eigenes Programm, weil sie selbst zerstritten ist. Aber ich teile auch Ihre Analyse nicht: Wir wollen die soziale Marktwirtschaft modernisieren. Was etwa die FDP und Teile der Union wollen, ist ein reiner Abbau des Sozialstaats, kein Erhalt, keine Erneuerung. Dennoch müssen wir da, wo es nötig ist, auch die Zustimmung des Bundesrats finden. Wir werden ganz beherzt mit der Opposition zusammenarbeiten.

Hätte sich August Bebel bei Schröders Regierungserklärung nicht im Grabe umgedreht?

August Bebel wäre sehr zufrieden gewesen. Denn er weiß, dass wir Sozialdemokraten dafür sorgen müssen, dass Arbeit und Beschäftigung vorankommen. Jeder Mensch braucht eine Chance. Wir dürfen uns mit der hohen Arbeitslosigkeit nicht abfinden. Und wir machen alles, was die Politik überhaupt beeinflussen und umsetzen kann.

Und Willy Brandt wäre auch zufrieden gewesen?

Brandt erst recht. Er hat uns aufgefordert, immer mit der Zeit zu gehen, uns immer wieder auf neue Gegebenheiten einzustellen. Es ist ja nicht so einfach, wie einige das gerne hätten: dass sich Gerechtigkeit dadurch einstellt, dass es immer von allem mehr gibt. Gerechtigkeit bedeutet eben auch, dass wir dafür sorgen, dass die Sozialsysteme und der Arbeitsmarkt funktionieren und dass die Menschen eine Zukunftsperspektive haben.

Kommt die Einsicht zu Einschnitten nicht etwas zu spät?

Nein. Die wirtschaftliche Entwicklung hat sich in den vergangenen Monaten sehr verschlechtert. Die Wirtschaftsforschungsinstitute müssen sich Monat für Monat selbst nach unten korrigieren. Das hat natürlich Folgen. Es bedeutet, dass wir jetzt entschieden handeln müssen und die Lösung von Problemen nicht aufschieben können. Aber eigentlich ist das, was der Kanzler vorgestellt hat, eingebettet in ein Reformprogramm, das wir bereits 1998 begonnen haben. Wir haben schon mit der Rentenreform begonnen, die Sozialsysteme wieder sicherer zu machen.

Das klingt alles so, als hätte man in den SPDOrtsvereinen auf nichts anderes gewartet als auf diese Kanzlermaßnahmen.

Ich glaube, dass die Vorstellungen des Kanzlers breit in der SPD getragen werden, sowohl in der Fraktion als auch in den Ortsvereinen. Selbstverständlich sind das schwierige Reformen. Wir werden auch viel diskutieren. Aber ich bin sicher, dass wir alle zusammenhalten und die Agenda 2010 gemeinsam umsetzen. Schröder hat in seiner Regierungserklärung alle politischen Entscheidungen, die anstanden, getroffen. Wenn man ein solches Gesamtkonzept vorstellt, wenn man so klar das Ziel benennt, nämlich mehr Beschäftigung zu schaffen, dann ist es auch akzeptabel, wenn einige mit Einzelmaßnahmen nicht ganz einverstanden sind.

Aber wer garantiert den Skeptikern, dass nicht noch mehr „Grausamkeiten” folgen?

Die entscheidenden Weichenstellungen sind benannt. Da können sich alle sicher sein. Widerstand entsteht oft aus der Furcht: Und was kommt noch alles? Es kommt aber nichts mehr. Was jetzt vorliegt, ist verlässlich.

Dennoch opponieren Teile Ihrer Fraktion bereits gegen einzelne Reformschritte. Wie wollen Sie diese mit eigener Mehrheit umsetzen?

Ich bin sicher, dass wir eine solide Regierungsmehrheit auch für die schwierigen Entscheidungen haben. Alle wissen, dass Veränderungen notwendig sind. Und alle werden bereit sein, diese zu akzeptieren, wenn sie das Gesamtkonzept kennen. Das ist jetzt der Fall.

Nur der Herr Sommer vom DGB nicht, der Ihr Konzept für sozial nicht ausgewogen hält.

Wir wissen, dass wir jetzt von allen kritisiert werden. Aber wir werden uns da, wo es notwendig ist, mit Lobbyisten und Interessengruppen anlegen. Nur so können wir dafür sorgen, dass Deutschland eine gute Zukunft hat. Irgendwann wird man sagen: was da im Jahre 2003 auf den Weg gebracht wurde, hat Deutschland die soziale Marktwirtschaft unter schwierigsten Bedingungen erhalten.

Der Sozialverband will sogar klagen, etwa gegen die Einschnitte beim Arbeitslosengeld. Haben Sie Angst vor dem Bundesverfassungsgericht?

Nein. Bei unseren Plänen ist alles in Ordnung. Sie sind vernünftig, ausgewogen und deshalb auch zulässig.

Die Arbeiten am neuen Parteiprogramm der SPD werden langsam konkret. Kann man sich auf ein zweites Godesberg einstellen, dem revolutionären Programm von 1959?

Wir möchten Antworten geben auf veränderte Anforderungen, die Globalisierung etwa oder wie man Gerechtigkeit in der künftigen Welt gewährleisten kann. Und wir müssen Antworten auf die Fragen finden, die sich aus einer veränderten internationalen Konstellation ergeben. Wir brauchen ein Programm, das die Qualität des Godesberger Programms hat, sowohl was die Konsistenz als auch was die Länge betrifft.

Wird Rudolf Scharping weiter mitarbeiten?

Klar.

Das Gespräch führte Markus Feldenkirchen.

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