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Politik: Was man der Politik nur raten kann

GERSTER & CO

Von Robert von Rimscha

Früher mag es einfacher gewesen sein. Da ging eine Partei zum Grafiker, dem man sich verbunden fühlte, und bestellte ein Plakat. Dieses warb dann für die Partei, die wurde gewählt, und alle freuten sich. Heute ist alles komplizierter. Ein Plakat alleine tut es nicht mehr. Ganze Kampagnen müssen her. Folglich hat sich rings um die Politik ein arbeitsteiliger Speckgürtel gelegt. Einer, in dem Image Consultants und viele andere Berufe, die es vor kurzem zumindest dem Namen nach noch gar nicht gab, ihr Wesen treiben. Zuweilen ist es ein Unwesen. Wie bei Florian Gerster.

Der Regierungsumzug nach Berlin hat diese Teilprivatisierung der Politik enorm befördert. Im Boom der Jahrtausendwende gediehen Firmen prächtig, die der Politik Dienste leisten. Dem Angebotsboom stand ein Nachfrageboom gegenüber. Wenn die Parteibindung abnimmt, wenn die politischen Profile unschärfer und die Probleme gleichzeitig komplizierter werden, wächst das Bedürfnis nach Beratung und Vermittlung. Was muss man wissen, wen braucht man wozu? Hier liegt der Ursprung jener Netzwerke, das heute auf Kritik stoßen.

Gegen Politikberatung hat niemand etwas. Wenn die Stiftung Wissenschaft und Politik oder die Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik debattieren, lauscht das Auswärtige Amt gern. Inhalte sind gut. Das Unbehagen setzt ein, wo es um Image geht. Und zwar um ein Image, das teure Berater aus öffentlichen Geldern zimmern – für eine Partei, eine Behörde, einen Repräsentanten. Das Misstrauen ist ähnlich, ob nun Moritz Hunzinger Rudolf Scharping Anzüge kauft und Cem Özdemir einen Sonderkredit gibt, oder ob WMP für 1,3 Millionen das Image Florian Gersters und seiner Bundesagentur für Arbeit poliert.

Jeder Form der Verkaufe haftet in Europa der Verdacht der Banalisierung an: Politik als Ware – das wollen wir nicht. Trotzdem wäre, wenn es statt um Inhalte um Image geht, jede Fundamental-Kritik realitätsfern. Von den abgestimmten Kandidatenfotos eines Wahlkampfes über den Internet-Auftritt bis hin zur Schulung im Umgang mit Fernsehkameras: All dies muss sein. Wo Politik immer weniger mit ewigen Werten zu tun hat, dafür immer mehr mit Kampagnenfähigkeit und TV-Image, greift die Professionalisierung zwangsläufig um sich.

Problematisch wird es, wenn eine Entkernung des Inhalts stattfindet. Wenn WMP fertig geschriebene, nur eben nie geführte Interviews mit Politikern zu vermarkten versucht. Wenn Aufträge alten Kumpels aus der Aktiven-Zeit eines Politikers zugeschanzt werden, der jetzt eben berät. Dies alles sind legitime Maßstäbe nicht mehr nur für Anrüchigkeit, sondern für Illegales. Grundsätzlich erfolgt die Ausschreibung eines Werbefeldzuges nach Richtlinien, die jenen für den Bau einer Müllverbrennungsanlage gleichen. Gemogelt werden kann in beiden Fällen, handfest betrogen auch. Dass die Anrüchigkeits-Schwelle in der Welt des Beratens weit unterhalb des Kriminellen liegt, hat einen einfachen Grund. Beim Müllverbrennen erhält der Bürger schlussendlich die gewünschte Anlage, sein Müll ist weg. Der Berater einer Behörde oder eines Politikers verändert deren Image. Ob das dann der Wahrheit entspricht, oder Lug und Trug ist, merkt der Bürger erst nach guten oder schlechten Erfahrungen mit den beratenen Politikern und Behörden.

Was tun? Nur Transparenz ermöglicht Kontrolle. Doch gegenwärtig scheint nicht die Aufdeckung von Netzen zwischen Image-Firmen und ihren öffentlichen Kunden vordringlich. Gegenwärtig mangelt es vor allem am Maßstab dafür, was anrüchig ist – und was nicht. Auch da aber hilft nur die öffentliche Debatte.

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