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Politik: Was nur das Boot schafft

Einfach zu finden ist das Schiff nicht. Der Name steht nur in Birmanisch am Rumpf, und es liegt hinter einem anderen Boot an einem abgelegenen Pier des Hafens von Rangun.

Einfach zu finden ist das Schiff nicht. Der Name steht nur in Birmanisch am Rumpf, und es liegt hinter einem anderen Boot an einem abgelegenen Pier des Hafens von Rangun. Aber die, die das Schiff durchs Irrawaddy-Delta nach Pathein nehmen wollen, wissen in der Regel, wo es ablegt. Ausländer kommen selten auf das Regierungsboot, wie der rostige Kahn von Einheimischen genannt wird, sie zahlen ein Vielfaches der Einheimischen. Die Fahrt auf dem Frachter dauert gut 22 Stunden, mit dem Bus wären es nur fünf und der Preis deutlich geringer.

Auch Birmanen finden das Schiff nicht eben komfortabel, die stinkenden Toiletten benutzt niemand, der es irgendwie vermeiden kann – trotz der langen Fahrtzeit. Wer eine der Zweierkabinen auf dem Mitteldeck ergattert hat, muss damit rechnen, sie mit Kakerlaken und Ratten zu teilen, hat aber ein sauberes Bett. Und: Das Regierungsboot fährt mitten durch die verzweigten Arme des Deltas, die 2008 von dem Zyklon Nargis heimgesuchte Reiskammer des Landes. Hier ersetzen die Flussarme die Straßen. Außerdem bietet das Schiff jede Menge Stauraum.

Los geht es hinein in die Nachmittagssonne, vorbei an zahllosen kleinen Holzkähnen und großen Fähren, die über den Fluss setzen; Brücken gibt es nur wenige. Die meisten Leute nutzen hier Boote. Auf dem Unterdeck drängen sich die Menschen dicht an dicht auf dem Boden, zwischen jeder Menge Gepäck. Handelsware stapelt sich nicht nur im Bauch des Schiffes; Säcke mit Lebensmitteln wie mit Zement, Türme aus Eierkartons, aufwendig geschnitzte Möbel, Fahrräder, Plastikeimer – alles, was man zum Leben braucht und sich verkaufen lässt. In Myaung Mya wird das Boot am nächsten Morgen um neun anlegen. Zwei Stunden dauert das Ausladen im Geburtsort der Mutter von Aung San Suu Kyi, es will schier kein Ende nehmen. So viel Fracht könnten sie in keinem Bus oder Laster mitnehmen, außerdem gibt es kaum Straßen. Händler sind auf dem Boot unterwegs, Frauen, Kinder, junge Vertreter auf dem Weg zur Arbeitsstelle. Sie sparen so auch Übernachtungskosten. Für ein paar Kyat-Scheine an den Bootsmann, der auf der Treppe nach oben wartet, verschaffen sich Mönche und auch Familien ein Plätzchen auf einem Stuhl oder einen Flecken am Boden auf dem Mitteldeck, wo sie sich über Nacht wenigstens ausstrecken können.

Jungen, Mädchen, Frauen und Männer bieten unterwegs Flaschen mit Wasser, Obst und ganze Menüs an. Ein Mädchen hat sogar einen Stapel offenbar schon häufig gelesener Bücher als Bordlektüre im Angebot, eine Gruppe junger Leute mit Megafon und ausladenden Metallschüsseln sammelt Geld für die Mönche. Kurz vor Mitternacht der erste Stopp, am Kai laufen sofort Menschen im Dunkeln zusammen. Händler bieten lautstark Essen feil: Betelnüsse, Reis, Nudeln, Teigtaschen mit scharfer Sauce jonglieren sie in großen Schalen auf ihren Köpfen, eine kleine Kerze mittendrin beleuchtet die Ware – an Bord gibt es um die Zeit nichts mehr zu essen.

Kurz nach fünf im Morgengrauen stehen die Passagiere zur Morgentoilette an der Reling, spucken die Zahncreme in den Fluss. Am Ufer waschen die Menschen sich und ihre Wäsche in den brackigen Fluten, die ebenso Reservoir fürs Trinkwasser wie Toilette sind. Unterdessen drehen bereits kleine Kähne an der Bordwand bei, sie holen Passagiere in wackeligen Booten ab, um sie in ihre Dörfer zu bringen. Oft kommt es dabei zu Unfällen. Schlote qualmen in der aufgehenden Sonne, so schwarz, als ob sie zerstoßene Kohle in den Himmel werfen würden. Im bald gleißend-weißen Licht gleiten einfache Strohhütten vorbei, sattes Grün, kleine goldene Pagoden, zahllose Menschen in Booten. Viele Kinder werden hier so zur Schule gebracht.

Nach dem Stopp in Myaung Mya, wo viele Passagiere von Bord gehen, dauert es noch einmal dreieinhalb Stunden, bis die goldene Kuppel und die Häuser von Pathein auftauchen. Am Hafen warten schon ungeduldig Mopedfahrer und Sammeltaxis auf Kunden.

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