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Hintergrund: Was steht im Atom-Papier?

Die Bundesregierung hat ein Eckpunktepapier mit den Atom-Konzernen abgeschlossen. Was steht drin?

Volker Kauder (CDU) kann die ganze Aufregung nicht verstehen. Der Unionsfraktionschef sagte nach der Klausurtagung der Fraktionsführung: „Ich habe schon immer gesagt, dass mir eine vertragliche Lösung lieber ist als eine steuerliche.“ Damit reagierte er auf den Vorwurf, es gebe einen „Geheimvertrag“ zwischen den vier großen Energiekonzernen und der Bundesregierung, der in den frühen Morgenstunden nach dem Atomkompromiss in der Nacht von Sonntag auf Montag ausgehandelt worden ist. Das fünfseitige Eckpunktepapier sei „um 5 Uhr 23 paraphiert worden“, hatte RWE-Vorstand Rolf Martin Schmitz am Rande einer Energietagung verraten. Die Grünen und Transparency International verlangten eine Veröffentlichung des Papiers, was Regierungssprecher Steffen Seibert zugesagt hat.

Was steht in dem Vertragsentwurf?

Das Papier enthält Vereinbarungen über die Zahlungen, die die Konzerne „freiwillig“ in einen Ökofonds einzahlen sollen. Kurz vor der Atomeinigung hatten die Chefs von Eon, RWE, EnBW und Vattenfall in einer Telefonschaltkonferenz mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) über diese Mittel, mit denen der Ausbau erneuerbarer Energien und die Energieeffizienz gefördert werden sollen, verhandelt. Im Gegenzug zur Laufzeitverlängerung sollen die Konzerne eine Brennelementesteuer entrichten. Entgegen den ursprünglichen Plänen des Finanzministers soll der Steuersatz nicht 220 Gramm pro Einheit Kernbrennstoff (Uran oder Plutonium) betragen, sondern nur noch 145 Euro pro Gramm. Diese Steuer soll von 2011 bis 2016 erhoben werden. Für den Fall, dass eine künftige Regierung die Laufzeitverlängerung zurücknimmt und die Brennstoffsteuer verlängert, haben sich die Konzerne zusichern lassen, dass sie ihre Beiträge für den Förderfonds entsprechend kürzen können. Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hatte eigentlich geplant, aus der Brennelementesteuer jährlich 2,3 Milliarden Euro netto einzunehmen. Da die Steuer als Betriebsausgabe absetzbar sein soll, hätten die Konzerne dafür rund 3,1 Milliarden Euro aufbringen müssen. Das Finanz- und das Wirtschaftsministerium reden weiterhin von Einnahmen von 2,3 Milliarden Euro, die nur eine Bruttoeinnahme sein können. Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) hatte am Montag von etwa 1,4 Milliarden Euro Einnahmen gesprochen. Das Finanzministerium ließ erklären, durch die Laufzeitverlängerung zahlten die Unternehmen mehr Steuern.

Die „freiwillige Abgabe“, die den erneuerbaren Energien zugute kommen soll, fällt sofort an. Für die Jahre 2011 und 2012 haben die Konzerne jeweils 300 Millionen Euro dafür zugesagt, für die Jahre von 2013 bis 2016 haben sie jeweils 200 Millionen Euro versprochen. Diese „Vorausleistungen“ werden in den Jahren 2017 bis 2022 auf die Förderbeträge angerechnet. Die Regierung muss diese Vorleistungen nicht zurückzahlen, auch wenn eine Folgeregierung die Laufzeitverlängerung zurücknehmen sollte. Von 2017 an sollen die vier Unternehmen für jede Megawattstunde neun Euro abführen. Dieser Fördersatz ist sowohl an die Inflationsrate als auch an den Strompreis gekoppelt. Steigt der Strompreis, steigen auch die Einnahmen des Staates. Sollte er sinken, könnte der Fördersatz auch unter den neun Euro liegen.

Die Nachrüstkosten für die 17 Atomkraftwerke sollen auf 500 Millionen Euro pro Anlage begrenzt werden. Kämen höhere Sicherheitskosten auf die Konzerne zu, dürften sie den Förderfonds entsprechend kürzen. Bestünde Röttgen auf einem höheren Sicherheitsniveau, würde er seinem Ressort damit Mittel für den Ausbau erneuerbarer Energien entziehen.

Schöpft der Staat wirklich die Hälfte der Zusatzgewinne ab?

Die Diskussion um die längeren Laufzeiten hat auch eine Debatte um die Höhe möglicher Zusatzgewinne der Konzerne zur Folge. Das Freiburger Öko-Institut kommt auf eine Summe von nominal 76 Milliarden Euro. Davon schöpft der Staat knapp 32 Milliarden Euro ab, also etwa 42 Prozent. Der Staat würde sich also nicht einmal die Hälfte der zusätzlichen Gewinne sichern – dabei hatte die Regierung dies immer angekündigt.

Eine andere Rechnung macht das Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) auf. „Die Zusatzgewinne werden bei maximal 67 Milliarden Euro liegen“, sagte Energie-Abteilungsleiter Manuel Frondel dem Tagesspiegel. Die Inflation oder Preissteigerungen beim Strom hat er nicht berücksichtigt. Er rechnet damit, dass die Kraftwerke in den zwölf Jahren, die sie länger laufen können, 1400 Milliarden Kilowattstunden Strom produzieren. Dies sei die Obergrenze der Strommenge, den die Kraftwerke produzieren könnten, argumentiert Frondel. Das Öko-Institut erwartet 1860 Milliarden Kilowattstunden Atomstrom mehr und liegt damit näher am offenbar vereinbarten Wert. Je Kilowattstunde nehmen die Betreiber nach aktuellem Stand fünf Cent ein, vier Cent davon sind Gewinn.

Dem gegenüber stehen die Belastungen für die vier Konzerne – die Brennelementesteuer sowie der Gewinnausgleich, den Eon, RWE, EnBW und Vattenfall zahlen sollen. Insgesamt sind dies knapp 32 Milliarden. „Unter dem Strich bleibt den Konzernen etwa die Hälfte ihrer Zusatzeinnahmen als Gewinn“, resümiert RWI-Mann Frondel. Spitz gerechnet sind es 52 Prozent gegenüber 46 Prozent des Öko-Instituts. Diese Marke hatte auch die Bundesregierung im Blick.

Frondel ist dennoch unzufrieden. „Ich hätte mir mehr von dem Atomkonzept erhofft“, sagt er. Die Bevölkerung trage weiterhin die Risiken – zum einen, dass Unfälle geschehen, zum anderen, dass die Rücklagen für die atomare Endlagerung nicht reichten. Außerdem seien die Kraftwerke aus den Monopolgewinnen der Konzerne finanziert worden. „Durch die Privatisierung der Branche ist das Volksvermögen an den Kraftwerken praktisch in Privatvermögen überführt worden. Das müssten die Steuerzahler eigentlich zurückbekommen“, findet Frondel. Dass durch den Atomkompromiss die Strompreise steigen werden, erwartet Frondel allerdings nicht. „Strom wird sich weiter verteuern – allerdings vor allem in Folge der Abgabe für die erneuerbaren Energien.“ Derzeit liegt sie bei rund zwei Cent pro Kilowattstunde, 2011 werde sie wahrscheinlich auf mindestens drei Cent steigen. Der Anstieg könne in dem Maß weitergehen.

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