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Politik: Was tun, wenn’s brennt

Von Gerd Nowakowski

Klaus Wowereit weiß, was zu tun ist, wenn es lodert. In der Neujahrsnacht hat er die anderen Mieter seines Hauses gewarnt, als der Dachstuhl in Flammen stand. Zu reagieren, klug und überlegt, auch wenn es politisch brennt: Das wünscht man sich von Berlins Regierendem Bürgermeister. Doch in dieser Hinsicht ist er in der letzten Zeit nicht gerade als Brandverhüter aufgefallen. Wowereit hat eher gezündelt – mit unbedachten und flapsigen Worten hat er die Ministerpräsidenten der Länder und die Bundeskanzlerin gegen sich aufgebracht. Nach der krachenden Abfuhr, die sich Berlin mit seiner Forderung nach Bundeshilfe für die notleidende Stadt vom Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe holte, tönte Wowereit, Berlin denke nicht daran, jetzt intensiver zu sparen. Stattdessen gönnt man sich die kostenfreie Kita-Betreuung. Von Angela Merkel verlangte Klaus Wowereit gänzlich uncharmant mehr Geld, anderenfalls man die Staatsoper halt dichtmachen werde. Entsprechend unterkühlt fiel der Bittstellertermin bei der Kanzlerin aus. Die denkt gar nicht daran, sich von einem Hungerleider die Tagesordnung diktieren zu lassen. Diplomatie geht anders.

Einen Regierungschef, der mit kluger Einschätzung seines Gewichts die Kunst des Möglichen betreibt, den braucht Berlin in diesem Jahr besonders dringend. Nicht aber einen zunehmend überheblich wirkenden Senatschef, der über seine wachsende Rolle in der Bundespolitik räsoniert, obwohl die rot-rote Koalition in der politischen Landschaft ein Exotenmodell ist. 2007 ist nach dem Jahr der großen Entscheidungen – etwa über den Bau des Großflughafens und die Berliner Finanzhilfe – das Jahr der Diplomatie, des stillen Bohrens dicker Bretter für die Sache der Stadt. Ohne Unterstützung der Länder und des Bundes kann das nicht gelingen.

Für die Stadt geht es um viel, vor allem um viel Geld. Mehr Hilfe benötigt Berlin nach dem Scheitern vor Gericht erst recht, um eine Perspektive jenseits des Schuldenlochs zu haben. Die finanziell gesicherte Zukunft der Museumsinsel, die der Bund nach der glanzvollen Eröffnung des Bodemuseums als seine schmückende Brosche entdeckt hat, gehört dazu. Berlin kann froh sein, dass der neue Kulturbeauftragte, André Schmitz, ein Mann der leisen Töne, in Sachen Opernstiftung tätig ist, um wieder einzurenken, was Wowereits barsche Worte angerichtet haben. Die Hauptstadt benötigt zudem viel Unterstützung, wenn in der zweiten Stufe der Föderalismusreform über eine Neuordnung der Finanzzuweisungen an die Bundesländer gestritten wird. Wer Gegner sieht, wo es Verbündete braucht, hat schon verloren.

Auf der Agenda muss ebenfalls stehen, wie am Schlossplatz, dieser städtebaulichen Wunde, der Stillstand beendet werden kann. Berlin benötigt auch die Bereitschaft des Bundes, jene Kosten zu übernehmen, die durch sicherheitsbedingte Aufgaben in der Hauptstadt entstehen. Dafür darf die Bundesregierung freilich erwarten, dass sich der Senat Gedanken macht, wie der Verlust von jährlich zehn Millionen Euro für den Flughafen Tempelhof zu senken ist. Wenn Investoren die Immobilie übernehmen wollen, dann reicht es nicht, auf die geplante Schließung im Herbst 2007 zu verweisen – die bis zur Eröffnung des neuen Großflughafens 2011 überhaupt nicht zwingend ist.

Dabei sind die Voraussetzungen gar nicht schlecht. Berlin hat mit der vor kurzem ins Grundgesetz eingefügten Hauptstadtklausel ein Unterpfand, das, klug genutzt, der Stadt manchen Segen bringen kann. Freilich nur, wenn die Klausel nicht als Freibrief für Forderungen missverstanden wird, sondern als Aufgabe, mit überlegten Initiativen deutlich zu machen, welche Rolle die Hauptstadt für die Republik spielt. Ein unverhofftes Geschenk wie die Fußball-Weltmeisterschaft, als die Stimmung aus Berlin die ganze Republik mit der ungeliebten Hauptstadt versöhnte, wird es nicht noch einmal geben.

Kaltblütig zu handeln, wenn es brennt, ist eine Tugend. Kaltschnäuzig zu sein aber reicht nicht, wenn Diplomatie gefragt ist. Wenn es in den Beziehungen zwischen Berlin und dem Rest der Republik nämlich erst einmal richtig brennt, ist es zum Löschen zu spät.

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