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Politik: Was wir leisten müssen

Von Susanne Vieth-Entus

Das schöne Nichtstun ist vorbei: Die großen Ferien sind zu Ende und die Eltern fragen sich, in welcher Verfassung die Schulen sind. Sind sie – sechs Jahre nach Pisa – besser geworden? Oder bieten sie wieder das Einerlei von Unterrichtsausfall und Halbherzigkeit, das die Schulfreude verdirbt, die Nachhilfeinstitute reich macht und jeden vierten Migranten auf der Strecke lässt?

Die eine Antwort ist: Es hängt davon ab, an welche Lehrer und an welche Schule man gerät. Die andere Antwort ist: Die Chance, dass die Kinder besser gefördert werden als noch vor wenigen Jahren, ist gewachsen. Das hat mit Pisa zu tun und mit einem Bildungssenator, der versucht hat, vieles zu tun, um den Berliner Bildungskarren wenigstens etwas aus dem Dreck zu ziehen.

Ein großes Reformpaket ist da zusammengekommen. So groß, dass allein die Aufzählung aller Neuerungen einem den Atem nehmen kann: frühere Einschulung, zentrale Prüfungen, Verzicht auf Lehrerverbeamtungen, Ganztagsschulen, Sprachkurse für Vorschüler und Mütter, Elternseminare, neue Fächer und Rahmenpläne, Sozialarbeiter als Helfer, Schulinspektionen, Kooperation mit der Wirtschaft, Hochbegabtenförderung, neue Unterrichtsmethoden.

Enorm viel Kraft hat all das gekostet. Die Berliner Schulen haben Instrumente an die Hand bekommen, mit denen sie mehr als bisher erreichen können – wenn alle das wirklich wollen, wenn Eltern, Lehrer, Schüler und Migranten davon überzeugt sind, dass ihr voller Einsatz gefragt ist. Die Frage lautet nicht mehr: Brauchen wir noch mehr Reformen? Sondern: Vermittelt die Gesellschaft die richtige Einstellung zur Schule? Vermittelt sie den Kindern, dass Bildung keine Zumutung, sondern ein Recht ist? Vermittelt sie den Lehrern, dass sie einerseits einen hoch geschätzten Beruf ausüben, andererseits aber auch selbst verantwortlich sind für ihren Erfolg? Vermittelt sie den Migranten und allen übrigen Eltern, dass sie nicht nur Zuschauer sein dürfen, sondern mittun müssen?

Mit einem herzhaften „Ja“ lässt sich bisher auf keine dieser Fragen antworten. Noch immer ist Faulheit in Berliner Klassenzimmern „cooler“ als Fleiß; noch immer werden Lehrer für ihren Beruf belächelt; noch immer schieben aber auch Lehrer und Schulleiter die Verantwortung für Probleme lieber dem Senat zu als selbst eine Lösung zu finden; noch immer drücken sich Eltern davor, im Schulleben eine aktive Rolle zu spielen; noch immer gibt es Tausende Migranten, die ihre Kinder lieber stundenlang vor den Fernseher setzen als ihnen auch nur ein Wort Deutsch beizubringen.

Man merkt an jeder Ecke: Schulreformen sind das eine, ein Mentalitätswechsel aber das andere. Reformen brauchen nur eine Legislaturperiode, Mentalitätswechsel unter Umständen Jahrzehnte. Denn eine Mentalität ist immer etwas Bequemes. Sie hat zu tun mit uralten Anschauungen und Gewohnheiten und ändert sich nur, wenn der Mensch davon etwas hat. Man muss also Anreize schaffen, vielleicht auch Leidensdruck herstellen, um etwas zu ändern.

Eine Berliner Hauptschule hat vorgemacht, wie so ein Druck aussehen könnte: Sie nimmt nur Kinder auf, deren Eltern an einem Erziehungsseminar teilnehmen. Der Erfolg ist immens. Eine Berliner Realschule hat sich verpflichtet, auf dem Schulgelände nur Deutsch zu sprechen: Sie hat jetzt mehr Schüleranmeldungen als die Konkurrenz. Andere Schulen haben Erfolg, weil ihre Leiter eigene – höhere – Leistungsmaßstäbe festlegen und im Kollegium durchsetzen. In jedem dieser Fälle hängt der Erfolg mit dem handelnden Personal zusammen und nicht mit der Struktur. Denn die Struktur an sich – das staatliche Schulsystem mit unkündbaren Lehrern – ist nicht eben dafür geschaffen, Mentalitäten aufzubrechen.

Was aber, so die nächste Frage, kann die kommende Wahl in dieser Hinsicht den Schulen bringen? Die CDU möchte Lehrer sogar wieder verbeamten, PDS und Grüne wollen die Einheitsschule, und die SPD macht wahrscheinlich weiter mit der lähmenden Lehrerschelte à la Wowereit und Sarrazin. Und wo, bitte, bleibt der Leistungsanreiz?

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