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Politik: Was wurde aus Christian Führer?

Im Zuge der Wende in der DDR standen sie vor zehn Jahren plötzlich im Rampenlicht. Fast täglich sah man sie in den Zeitungen und im Fernsehen.

Im Zuge der Wende in der DDR standen sie vor zehn Jahren plötzlich im Rampenlicht. Fast täglich sah man sie in den Zeitungen und im Fernsehen. Viele von ihnen kennt inzwischen kaum noch jemand. Sie haben sich ins Private zurückgezogen, machen Politik in der zweiten Reihe oder sind in ihre alten Berufe zurückgekehrt. Der Tagesspiegel stellt täglich ein "Gesicht der Wende" vor und sagt, was aus den Akteuren von damals geworden ist.

Christan Führer ist ein Held. Spätestens seit der Verfilmung des Romans "Nikolaikirche" ist an diesem Image des Leipziger Geistlichen nicht mehr zu rütteln. Der Pfarrer im Film: ein besonnener Christ mit fester Stimme, der die Opposition schützt und lenkt. Der Frage, wie ihm die Verfilmung gefalle, weicht Christian Führer geschickt aus. "Für mich ist wichtig, dass den zwei Ostdeutsche gemacht haben." Die damalige Opposition ist über den ungebrochenen Ruhm des Pfarrers jedenfalls sauer. Aus ihrer Sicht war der Pfarrer der Nikolaikirche oft zu zögerlich: "Führer hat unsere Initiativen doch ganz oft abgeblockt."

Im Herbst 1989 setzte Christian Führer durch, dass die Friedensgebete nach der Sommerpause an einem Messe-Montag wieder beginnen können. So flimmerten am Abend dank der Anwesenheit von Messekorrespondenten die Bilder der ersten Montagsdemonstration im Westfernsehen. Vielen machte das Mut und so wurden es jede Woche mehr Protestierer - trotz Verhaftungen durch die Staatsmacht.

Die SED überlegte damals, ob der Pfarrer politisch so naiv ist, dass er nicht weiß, was er lostritt. "Ich hatte wirklich kein politisches Konzept", bekennt Führer heute. "Ich habe mich immer nur gefragt, wie würde Jesus entscheiden." Bis jetzt hat Christian Führer 21 Spitzel in seiner Stasi-Akte gezählt, darunter auch sein damaliger Küster. "Die waren richtig gut die Jungs."

Am 9. Oktober 1989 schickte die SED 500 Genossen in Führers Kirche. "Die hatten unheimliche Angst", erinnert sich der Pfarrer. "Wäre geschossen worden, keiner hätte erkannt, ist das ein Spitzel oder ein Oppositioneller."

Nach der Wiedervereinigung machte Christian Führer aus dem kirchlichen Gesprächskreis für Ausreisewillige den Gesprächskreis für Arbeitslose. 1998 gehörte er zu den Initiatoren des Aktionsbündnisses zur Rettung der Brauerei in Leipzig-Reudnitz: "Für den Westen ist das unvorstellbar, dass bei uns die Gewerkschaft in die Kirche kommt." Während des Kosovokrieges organisierte seine Gemeinde Demonstrationen für den Frieden. Dass die Revolution von 1989 ohne Gewalt verlaufen ist, mag Pfarrer Führer keinem Menschen zuschreiben: "Das war die besondere Strategie Gottes."

Ralf Geissler

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