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Politik: „Washington hat gelogen“

Irak-Krieg: Ex-CIA-Mann vergleicht US-Regierung mit Goebbels

Der ExCIA-Spitzenbeamte Ray McGovern erhebt in Bezug auf den Irak-Krieg schwere Vorwürfe gegen die Bush-Regierung. McGovern hat als Informationsspezialist fast 30 Jahre für den US-Geheimdienst CIA gearbeitet. Von 1981 bis 1985 leitete er die täglichen Briefings für Ronald Reagans Vizepräsidenten George Bush, den Vater des amtierenden Präsidenten.

Der Geheimdienstausschuss des US-Senats begann diese Woche Anhörungen zum Streit um die Suche nach Massenvernichtungswaffen im Irak. Was versprechen Sie sich davon?

Ich erwarte da nichts. Der Ausschuss-Vorsitzende, der Republikaner Pat Roberts, hat es ja schon abgelehnt, wegen der angeblichen Bemühungen des Irak, Uran aus dem Niger zu erwerben, das FBI einzuschalten – obwohl sich die US-Regierung hier bewusst auf plump gefälschte Dokumente berufen hatte.

Sie sprechen in einem Brief an Präsident Bush vom „politischen und geheimdienstlichen Fiasko“. Warum?

Nehmen wir die Sache mit den Aluminiumrohren, die der Irak in Besitz zu bringen versucht hat. Laut Sicherheitsberaterin Condoleezza Rice waren sie „ausschließlich zur nuklearen Anwendung“ gedacht. Atom-Ingenieure haben fast einstimmig befunden, dass sie dazu nicht tauglich seien. Trotzdem sagte Präsident Bush am 7. Oktober 2002, der Irak könne womöglich innerhalb eines Jahres eine Atombombe bauen. Das sind bewusste Verzerrungen. Lügen. Wenn ein US-Präsident beschließt, dass die Notwendigkeit zu einem Krieg bestehe, muss der Geheimdienst Informationen beschaffen, um die Notwendigkeit zu rechtfertigen.

Und was passiert nach ihrer Erfahrung, wenn die „Beweislage“ zu dünn ist?

Dann wird sie aufgeblasen. So fand der Angriff nordvietnamesischer Truppen auf ein US-Kriegsschiff im Golf von Tonkin, mit dem Präsident Johnson den Kongress 1964 zum Kriegseintritt drängte, nie statt. Die interne Entscheidung zum Irak-Krieg fiel im September 2002 – fünf Monate vor dem UN-Auftritt von Außenminister Colin Powell. Was damals noch fehlte, waren die Geheimdienstinformationen zur Begründung.

Doch die waren nicht schlüssig – oder, im Fall des Urans, gefälscht.

Das machte nichts. Wir kennen die Denkrichtung in diesem Weißen Haus: Wie lange können wir die Öffentlichkeit hinhalten? Ein paar Monate? Dann sind wir längst im Krieg oder haben ihn gewonnen. Die Regierung hat das Trauma vom 11. September kunstvoll ausgenutzt. So wurden Al Qaida und Saddam Hussein immer in einem Atemzug genannt, ohne Belege einer Verbindung. Schon Joseph Goebbels sagte: Wiederholt man etwas oft genug, glaubt es das Volk. Am 7. Oktober sagte Bush ohne Beweise dafür, die „rauchenden Colts“ im Irak seien „in Form eines Atompilzes“ zu befürchten. Dies wiederholten Sicherheitsberaterin Rice am 8. und Pentagon-Sprecherin Clarke am 9. Oktober. Am 11. Oktober votierte der Kongress für Krieg.

Und das ist niemandem aufgefallen?

Ein Grund ist, dass die US-Medien die Wahrheit verschwiegen haben. Niemand hat dem Volk erklärt, was wirklich los ist.

Trotz des investigativen Rufs der US-Presse?

Das war zu Zeiten von Vietnam und Watergate. Solche Enthüllungen passieren heute nicht mehr. Die Mainstream-Presse schlägt auf die Pauke der Regierung.

Das Interview führte Marc Pitzke.

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