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Politik: Washingtons Abwehr

Polen ist generell zur Stationierung eines Raketenschilds bereit – erste Vorbereitungen laufen bereits

Die US-Pläne für ein Abwehrsystem, das gegen iranische Raketen gerichtet sein und in Polen und Tschechien stationiert werden soll, sind in Russland auf Ablehnung gestoßen. Eines der direkt betroffenen Länder steht dem Projekt indes positiv gegenüber: Warschau ist an dem von den USA geplanten Raketenschild interessiert. Bereits unter der sozialdemokratischen Regierung von Ex-Premier Leszek Miller hatte Washington mit Warschau erste inoffizielle Gespräche über eine mögliche polnische Beteiligung an dem Projekt geführt. Im vergangenen November artikulierte der damalige Premier Kazimierz Marcinkiewicz erstmals offiziell die generelle Bereitschaft, in Polen Raketenbasen zur Verfügung zu stellen: Eine Entscheidung sei jedoch noch nicht gefallen.

„Nichts ist entschieden, nichts ist ausgeschlossen“, sagte Piotr Paszowski, der Sprecher des polnischen Verteidigungsministeriums, dem Tagesspiegel. Noch immer warte das Ministerium auf die Beantwortung eines Schreibens an das Pentagon mit konkreten Nachfragen zu dem Projekt. Presseberichte, wonach Verteidigungsminister Radek Sikorski bei seiner am Mittwoch begonnenen US-Reise mit seinem Kollegen Donald Rumsfeld die polnische Beteiligung am Raketenschild erörtern werde, erklärte der Sprecher für „falsch“: „Wir sind noch nicht in die Phase von Verhandlungen getreten.“

Der US-Flugzeughersteller Boeing, der das Raketenabwehrsystem entwickeln soll, hat bereits einen Kooperationsvertrag mit dem Polnischen Telekommunikations-Institut (PIT) in Warschau unterzeichnet. Das Institut, das Boeing als „Schlüsselpartner“ bezeichnet, hat sich vor allem mit der Entwicklung von Radarkontrollsystemen einen Namen gemacht. Laut polnischen Presseberichten soll neben Warschau und Tschechien auch die Ukraine Interesse an dem Abwehrsystem signalisiert haben: Ungarn sei aus dem Kandidatenkreis möglicher Stationierungsländer hingegen ausgeschieden.

In Polens Öffentlichkeit wird auf die Raketenpläne mit gemischten Gefühlen reagiert. Kritiker verweisen auf die erhöhte Gefahr von Terroranschlägen, eine drohende Verschlechterung der angespannten Beziehungen zu Russland und eine mögliche Isolierung in der EU: Das dem Land seit der Irak-Krise anhaftende Stigma des „trojanischen Pferdes der USA“ könnte sich in Westeuropa noch verschärfen.

Befürworter führen außer Sicherheitsaspekten und einem wachsenden politischen Gewicht als US-Partner wirtschaftliche Gründe ins Feld: Eine Raketenstationierung in Polen würde Investitionen von mehreren hundert Millionen Dollar erfordern – die Washington komplett übernehmen würde. Stoßen die Pläne auch bei Abgeordneten der liberalen und sozialdemokratischen Opposition auf Zustimmung, könnte der nationalkonservativen Regierungspartei PiS Ärger mit ihren Koalitionspartnern drohen: Sowohl die linkspopulistische Bauernpartei Samoobrona als auch die rechtsklerikale LPR gelten als US-skeptisch – und als Gegner des Projekts.

Thomas Roser[Warschau]

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