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Politik: Washingtons neuer Freund

Schanghai. Ein wenig steif wirkt der Händedruck, als die beiden Präsidenten an diesem Morgen im Xijiao Gästehaus vor die Presse treten.

Schanghai. Ein wenig steif wirkt der Händedruck, als die beiden Präsidenten an diesem Morgen im Xijiao Gästehaus vor die Presse treten. Jiang Zemin, die dickrandige Kaderbrille auf der Nase, klopft George W. Bush etwas ungelenk auf die Schulter. Bush lächelt verkrampft, rückt seine Krawatte zurecht. Freunde sind die beiden Staatsmänner hier in Schanghai wohl noch nicht geworden. Und doch könnte dieses erste Treffen der beiden mächtigen Männer den Beginn einer neuen Allianz markieren. Nicht nur Bush und Jiang, sondern auch China und die USA sind ein Stück näher zusammengerückt.

In Washington und Peking ist man einiges Auf- und Ab in den Beziehungen gewöhnt, doch wohl nie war man sich so einig wie jetzt Bush und Jiang. Kein Wort über Chinas Menschenrechtsverletzungen. Der Streit um das abgeschossene US-Spionageflugzeug? Längst zu den Akten gelegt. Stattdessen gab es freundliche Worte auf beiden Seiten. Mehrmals lobte Bush Chinas Unterstützung im Kampf gegen Terrorismus. "Präsident Jiang und die Regierung stehen Seite an Seite mit dem amerikanischen Volk in unserem Kampf gegen die teuflische Kraft", erklärte Bush. Jiang Zemin bedankte sich mit breitem Lächeln. China darf sich jetzt wohl offiziell zu den Freunden Washingtons zählen.

Der 11. September hat die Weltordnung der Großmächte aufgebrochen. Alte Freundschaften zerbrechen, neue Allianzen entstehen. Aber wohl keine der Mächte hat so viel gewonnen wie China: Im Wahlkampf hatte der konservative Bush noch Stimmung gegen Chinas Kommunisten gemacht und Peking als einen "strategischen Konkurrenten" bezeichnet. Nach der Krise um das Spionageflugzeug in Mai hatte Washington Pekings Erzfeind Taiwan mit neuen Waffensystemen versorgt. Für konservative US-Politiker war China der neue Gegner, ein neues Reich des Bösen. Bis zum 11. September.

Peking hatte schnell erkannt, dass es diesmal besser auf der Seite Washingtons stehen sollte. Noch in der Nacht der Flugzeugattacken telegrafierte Jiang Zemin sein Beileid an Bush. Als die USA mit der Bombardierung Afghanistans begannen, hielt sich Peking zurück. Statt wie früher den Militäreinsatz gegen ein Drittland als "Hegemonie" abzulehnen, signalisierte China sogar vorsichtige Unterstützung. Zwar sprach sich Jiang auch gestern gegenüber Bush für eine "Rolle der Vereinten Nationen" in dem Konflikt aus. Gleichzeitig gab man bekannt, dass China und die USA nun Geheimdienstinformationen über Terrorgruppen austauschen. Undenkbar noch vor zwei Monaten.

Es ist eine Allianz auf schmalen Füßen, die Bush und Jiang in Schanghai begonnen haben. Chinas Armee beobachtet mit Argwohn, wie die USA und Großbritannien unmittelbar vor der Grenze Chinas in Afghanistan ihre Militärmacht aufbauen. Eine langfristige Stationierung von US-Truppen in Zentralasien wäre für China eine Einschränkung der eigenen militärische Sicherheit.

Harald Maass

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