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Politik: „Wasserdichte Beweiskette“

Der mutmaßliche Mörder von Schwedens Außenministerin Lindh soll im Januar angeklagt werden

Nein, sagt Ulf Göranzon von der Stockholmer Polizei, es gebe keine Anzeichen dafür, dass Schwedens Außenministerin Anna Lindh aus politischen Motiven ermordet worden sei. Schwedische Zeitungen hatten unter Berufung auf Polizeiquellen berichtet, dass der Mord an der Außenministerin mit ihrer öffentlichen Unterstützung der Nato-Bombenangriffe in Serbien im Frühling 1999 zusammenhänge. Gegen den 24-jährigen Verdächtigen, der aus dem ehemaligen Jugoslawien stammt, wird nun, wie Göranzon dem Tagesspiegel bestätigte, erst im Januar Anklage erhoben.

Der Mann war am Morgen des 24. September in seiner Wohnung festgenommen worden und wird seitdem wegen „ernstem Verdacht“ in Untersuchungshaft gehalten. Oberstaatsanwältin Agneta Blidberg hat nach einer Videokonferenz mit dem englischen Forschungsinstitut, das die Mordwaffe untersucht hat, eingeräumt, dass neue technische Beweise den Verdacht gegen den 24-Jährigen erhärtet hätten.

Viel mehr will man von offizieller Stelle bis heute nicht preisgeben. „Das gesamte Voruntersuchungsverfahren steht unter strikter Geheimhaltung. Wir wollen keine Spekulationen in Gang setzten“, sagte Göranzon. Dass die Anklageerhebung erst nach Weihnachten stattfindet, habe technische Gründe, fügte der Polizeisprecher hinzu. Das Voruntersuchungsprotokoll soll der Verteidigung nach seinen Worten voraussichtlich noch vor Weihnachten übergeben werden. Der Anwalt des 24-Jährigen, Peter Althin, bekommt dann bis ungefähr Anfang Januar Zeit, um eventuelle Ergänzungen im Protokoll zu beantragen.

Erst danach ist die Anklageerhebung möglich. Polizeichef Leif Jennekvist sagte der Zeitung „Dagens Nyheter“, dass die Voruntersuchung so überzeugend und gewissenhaft wie möglich sein müsse. Nach der Verurteilung würde der Fall von der Öffentlichkeit bis ins Detail aufgerollt werden. Der Polizeichef will vermeiden, dass „wilde Theorien“ aufflackern – ähnlich wie nach dem Attentat 1986 auf den schwedischen Ministerpräsidenten Olof Palme. Inzwischen hat die Polizei schon Personal vom Fall Lindh abgezogen, was auf den Abschluss der Untersuchungen hindeutet. Heute arbeiten statt 80 nur noch 20 Polizisten der Stockholmer Polizei an der Voruntersuchung. Insgesamt wurden bei rund 1000 Verhören 600 Personen befragt.

Nach Berichten schwedischer Medien ist der 24-Jährige schon so gut wie überführt. „Wir haben eine Reihe von technischen Beweisen, die jeder für sich für eine Verurteilung ausreichen müssten. Zusammengenommen ergibt das eine völlig wasserdichte Beweiskette“, zitiert die Zeitung „Expressen“ einen Polizeibeamten. Untersuchungen an der vom Täter bei der Flucht hinterlassenen Kappe und am Messer sollen genetische Spuren von Anna Lindh und dem verhafteten 24-Jährigen nachgewiesen haben. Zudem soll der mutmaßliche Täter bereits vor der Festnahme die Tat seiner Mutter gestanden haben. Gegenüber Polizei und Staatsanwaltschaft streitet er jedoch weiter ab, schuldig zu sein.

Trotz der Unschuldsbeteuerungen hat Verteidiger Althin dem Wunsch der Staatsanwaltschaft, die Untersuchungshaft zu verlängern, zugestimmt. „Ich beurteile die Möglichkeit, dass das Gericht meinen Klienten auf freien Fuß setzt, als nicht besonders groß“, sagte Althin. Das liege vor allem daran, dass in diesem brisanten Fall die gerichtlichen Hürden für eine Verlängerung der Haftzeit sehr niedrig lägen. Auch möchte Althin gerne eine erneute „Hysterie“ vermeiden. Noch einige Wochen zuvor wollte der Anwalt die Untersuchungshaft seines Mandanten auf übergeordneter Instanz anfechten. Offensichtlich hat er seine Strategie nun geändert.

Andre Anwar[Stockholm]

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