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Politik: Wasserscheu

Die PDS hat sich bei der Flutkatastrophe ungewöhnlich still verhalten. Alles Absicht, sagt der Fraktionsvorsitzende Claus

Von Cordula Eubel

Politiker aller Parteien waren in diesen Tagen der Flut auf den Deichen zu sehen. Politiker aller Parteien? Nein, eine war nicht dabei. Und das, obwohl die Katastrophe vor allem in Ostdeutschland stattfand. Dort, wo die PDS ihre meisten Wähler rekrutiert. Hat da jemand nicht rechtzeitig reagiert? Nein, sagt Roland Claus, Vorsitzender der PDS-Bundestagsfraktion. Bei der Bekämpfung der Flutschäden habe man sich bewusst gegen „Polittourismus“ entschieden. „Herumreisende Spitzenkandidaten, die sich vor laufenden Fernsehkameras das Elend angucken, helfen der Bevölkerung nicht“, sagt Claus. Er kritisiert damit viele Spitzenpolitiker von Union, FDP und der Bundesregierung, die in die Hochwasserregionen gereist waren, häufig begleitet von Kamerateams. Die Bürger in den betroffenen Gebieten bräuchten jedoch keine „Betroffenheitsarien“.

Innerhalb der Fraktion wird diese selbstverordnete Abwesenheit nicht von allen geteilt. Fraktionsvize Wolfgang Gehrke sagt: „Ich halte nichts von Zurückhaltung.“ Auch wenn alle Parteien immer wieder betonten, mit dem Hochwasser keinen Wahlkampf betreiben zu wollen, würden sie es dann doch machen. „Man muss damit auch Politik machen“, betont Gehrke. Er reiste für zehn Tage in seinen Wahlkreis in der Prignitz, um dort Sandsäcke zu schleppen – und ließ sich dabei von Journalisten begleiten. Rund 150 PDS-Mitglieder rekrutierte er für seinen Einsatz aus ganz Deutschland.

Auch Wahlforscher halten von der Scheu, mit der Flut Wahlkampf zu machen, wenig. „Es schadet der PDS, dass sie nicht präsent ist“, sagt Dieter Roth von der Forschungsgruppe Wahlen. Moralische Erwägungen seien jetzt nicht wichtig: „Die Menschen wollen Aussagen von den Politikern haben.“ Die PDS spiele ohnehin derzeit in der Diskussion keine große Rolle, mit so einem Agieren tue sich die Partei keinen Gefallen

PDS-Fraktionschef Claus räumt ein, dass der Verzicht auf den Einsatz von Partei-Promis vor Ort eine „Gefahr“ berge: „Wenn man sich entscheidet, nicht auf den Deich zu klettern, ist man nicht im Fernsehen.“ Er fürchtet, dass sich in den betroffenen Regionen die ohnehin schon hohe Zahl der Nicht-Wähler vergrößern könne. Für die PDS könnte das unangenehme Folgen haben, scheint doch der Einzug in den Bundestag nicht mehr huntertprozentig sicher. In Umfragen schwankt die Partei zwischen vier und fünf Prozent – der Rücktritt Gregor Gysis hat ihr einen deutlichen Dämpfer verpasst. Drei Direktmandate braucht die PDS, um bei einem Scheitern an der Fünf-Prozent-Hürde dennoch ins Parlament einzuziehen.

Die PDS-Spitzen trösten sich damit, dass in den Hochwassergebieten in den neuen Bundesländern den Menschen das Engagement der PDS vor Ort bewusst sei. „Wir sind als Partei am präsentesten“, sagt Gehrke, „und organisieren die praktische Hilfe“. Neue Hoffnungen schöpft die PDS zudem aus den Ankündigungen des Bundeskanzlers. Der versprach, keinem der Betroffenen solle es schlechter gehen als vor der Flut. Claus kritisierte das als „Formel, die bekannt ist“. Er glaubt, dass diese Ankündigung Schröders Skepsis in der Bevölkerung auslösen werde. Das könnten doch wieder Stimmen für die PDS sein. Wahlforscher Roth rechnet möglicherweise mit einem Mobilisierungseffekt für die PDS, falls der Wiedereinzug in den Bundestag deutlich gefährdet sei. Das könne „taktische Wähler“ mobilisieren.

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