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Politik: Weg aus der Sucht

Studie: Durch Diamorphin können Heroinabhängige besser therapiert werden als mit Methadon

Seit mehr als zwei Jahrzehnten nehmen sie Heroin, im Schnitt sind sie Ende dreißig, psychisch krank und organisch schwer geschädigt. Manche haben sich mit HIV infiziert, mit Hepatitis, das Leben in der Drogenszene hat sie gezeichnet. Wenn es nach Christian Haasen vom Zentrum für Interdisziplinäre Suchtforschung in Hamburg geht, müssten sich die Schwerstabhängigen den Stoff nicht länger illegal auf der Straße besorgen. Sie bekämen Diamorphin, also reines Heroin, von einem Arzt. Christian Haasen ist wissenschaftlicher Leiter des deutschen Modellversuchs zur Heroinabgabe, die Studie läuft zum Jahresende aus. Laut Haasen sind die Ergebnisse eindeutig.

Rund tausend Suchtkranke wurden behandelt, die einen mit der Ersatzdroge Methadon, die anderen mit Diamorphin. Es ist die größte Vergleichsgruppenuntersuchung, die es jemals gab, und die Ergebnisse bestätigen, was man aus der Schweiz und aus den Niederlanden längst weiß: Süchtige, die mit Diamorphin behandelt werden, lösen sich aus der Drogenszene, ihr Gesundheitszustand verbessert sich, sie werden therapiefähig. Anders als bei der Methadonbehandlung sinkt der Beigebrauch illegaler Drogen erheblich, die Patienten stabilisieren sich und bauen wieder soziale Kontakte auf.

Sabine Bätzing, Drogenbeauftragte der Bundesregierung, findet diese Ergebnisse überzeugend. Die Arzneimittelstudie habe klar gezeigt, dass Diamorphin für die kleine Zielgruppe der Schwerstopiatabhängigen das geeignetere Medikament sei. Sie will Diamorphin als Arzneimittel zulassen, ein Gesetzesentwurf liegt in der Schublade. Doch er hat in der Koalition keine Mehrheit. „In der Union gibt es noch starke Vorbehalte“, sagt Maria Eichhorn, drogenpolitische Sprecherin der Unionsfraktion. Sie zweifelt daran, dass die Behandlung mit Diamorphin so viel besser sein soll als die Substitution mit Methadon.

„Patienten, die zur Methadonbehandlung gar nicht erst angetreten sind, wurden in der Vergleichsrechnung mitberücksichtigt“, sagt Eichhorn. Um einen tatsächlichen Vergleich zwischen Heroin- und Methadongruppe zu erreichen, sei es jedoch notwendig, nur die Patienten zu berücksichtigen, die die Behandlung auch wirklich begonnen hätten. Geschehe dies, sei der Unterschied zur Behandlung mit Methadon nicht mehr so bedeutend. Vor allem aber sieht sie ein Kostenproblem: Die Heroinbehandlung sei viermal so teuer wie die mit Methadon. „Wenn wir derzeit durch die Gesundheitsreform die Kosten in den Griff bekommen wollen, können wir den Versicherten nicht zusätzliche Lasten über die Heroinsubstitution aufbürden“, sagt Eichhorn. „Würde man das Geld in die Präventionsarbeit investieren, könnte man viele Menschen vor einem Suchtschicksal bewahren.“

Sabine Bätzing rechnet anders: Es sei zwar richtig, dass die Behandlung mit Diamorphin teurer sei. Man müsse aber auch den Nutzen der Therapien vergleichen. Die Behandlung mit Diamorphin sei effektiver als die Methadonsubstitution. So sei die Beschaffungskriminalität bei den Heroinpatienten stärker zurückgegangen als bei der Methadongruppe, sogar der Zuwachs an der Erwerbstätigkeit sei größer. „Letztendlich ist die Diamorphinbehandlung der Methadonbehandlung auch ökonomisch betrachtet überlegen“, sagt Bätzing. Sie hofft darauf, die Zweifler noch zu überzeugen: „Eine Vorentscheidung für ein Gesetz könnte bereits im November fallen.“

Eine Einigung mit dem Koalitionspartner scheint immerhin möglich. Denn von einer Ablehnung will auch Eichhorn noch nicht sprechen. Die Union brauche noch Zeit. Durch einen gemeinsamen Beschluss könne sichergestellt werden, dass die Patienten, die im Moment ärztlich mit Heroin versorgt werden, dieses vorläufig weitererhalten könnten. „Wir wollen diese Menschen schließlich nicht ins Nichts fallen lassen“, erklärt Eichhorn.

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