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Politik: Weg mit dem Dämon

Von Clemens Wergin

Eins muss man den Italienern lassen: Sie wissen, wie man eine Show inszeniert. Erst der nervenaufreibende Krimi der Wahlnacht, dann entscheiden nach 20 Stunden Bangen die Stimmen der Auslandsitaliener – und sichern der Linken den Sieg im Senat. Zwischendurch wird auch noch der seit mehr als 40 Jahren flüchtige Pate der Paten in der sizilianischen Mafiahochburg Corleone gefasst. Am Ende hat eine klitzekleine Mehrheit der Italiener aber doch für mehr Langeweile votiert und dem nuschelnden Wirtschaftsprofessor Romano Prodi den Vorzug gegeben vor Silvio Berlusconi, dem Blender.

Aus dem Ausland betrachtet ging es bei diesen Wahlen nicht nur um links oder rechts. Berlusconis Medienmacht und die Art, wie er Strafprozesse gegen sich mit seiner parlamentarischen Mehrheit vereitelte, mussten alle die empören, denen staatliche Gewaltenteilung und ein fairer demokratischer Wettbewerb etwas bedeuten. Das scheint aber jene Hälfte der Italiener wenig zu interessieren, die Berlusconi wieder ihre Stimme gaben. So liefert Italien das Bild eines Landes, in dem beide politische Lager sich in ideologischen Stellungen eingegraben haben. Eine Polarisierung, die die Politik weiter lähmen wird und an die Zeit des Kalten Krieges erinnert, als sich in Italien die beiden „Kirchen“, die „Democrazia Cristiana“ und die Kommunisten, feindselig gegenüberstanden.

Ähnlich wie Frankreich wird Italien seit Jahren von einer gerontokratischen Klasse beherrscht. Das politische Personal ist auf beiden Seiten dasselbe wie 1996, als Prodi schon einmal knapp gegen Berlusconi gewann. Prodi wurde nach zwei Jahren vom Kommunistenführer Fausto Bertinotti gestürzt. Ähnlich instabil wie damals ist auch die neue italienische Regierung. Bei nur zwei Sitzen Mehrheit im Senat wird das Erpressungspotenzial der kleinen Parteien in Prodis Koalition nun eher noch zunehmen. Eine fünfjährige Amtszeit ist deshalb genauso unwahrscheinlich wie eine entschlossene Politik der Reformen, derer Italien so dringend bedarf. Ein überzeugendes Projekt für die Zukunft des Landes hat eben auch die Linke nicht zu bieten. Das ist einer der Gründe, warum die Italiener Berlusconi nicht härter abgestraft haben, obwohl er auf seinem ureigenen Gebiet, der Wirtschaft, wenig erreicht hat. Prodis Koalition präsentierte sich allein als das kleinere Übel.

Sich aus der Politik zurückzuziehen wäre nun der größte Dienst, den Berlusconi seinem Land erweisen könnte. Denn er ist ein wichtiger Grund für die Selbstblockade der politischen Klasse in beiden Lagern. Wie ein Dämon beherrscht er das Denken der Linken, die ihre Identität aus dem gemeinsamen Feindbild zieht und darüber vergessen hat, ihre alten Rezepte der Verteilungsgerechtigkeit an neue gesellschaftliche Realitäten in der Globalisierung anzupassen – so wie das die britischen, skandinavischen und, langsam, die deutschen Sozialdemokraten tun. Aber auch auf der Rechten steigt das Bedürfnis nach Emanzipation vom Mediokrator, danach, endlich zu einer „normalen“ politischen Kraft zu werden, die nicht nur die besseren Slogans zu bieten hat, sondern Konzepte, die sich aus politischen Überzeugungen ableiten und nicht nur aus Meinungsumfragen. So hat sich zuletzt ein großer Teil der Unternehmerschaft von Berlusconi abgewandt, weil die Konkurrenzfähigkeit italienischer Firmen im internationalen Vergleich kontinuierlich abgenommen hat. Auch an der staatlichen Regulierungswut hat Berlusconi kaum etwas geändert. Fast hätte der ewig lächelnde Salesman seiner selbst die Italiener noch einmal rumgekriegt. Am Ende war für viele die Diskrepanz allerdings doch zu groß zwischen Berlusconis Dauerlächeln und ihrem Gefühl, in einem Land im Niedergang zu leben.

Wie 1996, als er Italien eurotauglich machte, wäre es Prodi persönlich durchaus zuzutrauen, diesen Niedergang mit beherzten Reformen aufzuhalten. Aber selbst wenn seine Koalition solch einschneidende Veränderungen wohl behindern würde: Die Abwahl Berlusconis ist ein erster Schritt zur Besserung.

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