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Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg.

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Wehrpflicht: Ausgesetzt ist abgeschafft

Wie die Wehrpflicht gesetzlich geregelt ist

Berlin - Gelegentlich sprechen auch Worthülsen Klartext. Man rechne „unterschiedliche Szenarien durch“, hieß es am Mittwoch aus dem Verteidigungsministerium, es gebe aber keine Entscheidungen und – aufschlussreich – „keine Denkverbote“. Für die Wehrpflicht kann diese Ansage das Ende bedeuten. Sie ist allerdings deutlich schwieriger zu beseitigen als „Denkverbote“. Will man sie aussetzen, wie es derzeit noch beschönigend heißt, müsste man sie wohl abschaffen.

Das Grundgesetz steht dabei nicht im Weg. „Männer können vom vollendeten achtzehnten Lebensjahr an zum Dienst in den Streitkräften, im Bundesgrenzschutz oder in einem Zivilschutzverband verpflichtet werden“, diktiert Artikel 12a und zudem, dass Verweigerer zu einem Ersatzdienst herangezogen werden können. Das entscheidende Wort in diesem Kontext ist „können“. Sie müssen es nicht. Die Wehrpflicht steht deshalb in der Verfassung, ohne selbst Verfassungsrang zu haben. Anders als die Streitkräfte selbst, denn in Artikel 87a heißt es: „Der Bund stellt Streitkräfte zur Verteidigung auf“. Wer damit brechen will, braucht Zweidrittelmehrheiten in Bundestag und Bundesrat. Eine verfassungsrechtliche sogenannte Ewigkeitsgarantie wie für die Demokratie und Menschenwürde gibt es für die Bundeswehr nicht.

Dennoch, die Wehrpflicht hat Gesetzeskraft. Die Möglichkeit, junge Leute zu verpflichten, hat das Parlament im Wehrpflichtgesetz geregelt. Dort steht nichts mehr von „können“, hier heißt es jetzt: „Wehrpflichtig sind alle Männer vom vollendeten 18. Lebensjahr an“. Und weiter, dass diese Wehrpflicht durch Wehr- und Ersatzdienst erfüllt wird. Es handelt sich folglich um zwingendes Recht, dass man nicht einfach per Verwaltungsanordung aussetzen kann. In einen ähnlichen Konflikt hat sich die Regierung mit dem Aussetzen der Internetsperren begeben. Auch hier gibt es ein gültiges Gesetz. Wer es aussetzt, negiert als Exekutive den Willen des Souveräns, ein Verstoß gegen das Demokratieprinzip. Im Falle der Wehrpflicht wäre der Konflikt so eklatant, dass ihn die Regierung kaum eingehen würde.

Es bliebe deshalb wahrscheinlich nur der Weg, das Wehrpflichtgesetz zu ändern oder zu streichen. Möglich, dass der Bundesrat zustimmen muss. Die Verkürzung des Wehrdiensts ist allein Sache des Bundestags, bei der Abschaffung wären zumindest mittelbar die Länder betroffen, die bei der Erfassung der Wehrpflichtigen organisatorisch beteiligt sind.

Juristisch gesehen ist die Wehrpflicht, trotz Verankerung in der Verfassung, begründungspflichtig. Berühmt geworden ist ein Diktum des früheren Bundespräsidenten und Verfassungsrichters Roman Herzog: „Die Wehrpflicht ist ein so tiefer Eingriff in die individuelle Freiheit des jungen Bürgers, dass ihn der demokratische Rechtsstaat nur fordern darf, wenn es die äußere Sicherheit des Staates wirklich gebietet.“

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