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Politik: Wehrpflichtgegner Ralf Siemens über Pflicht und Freiwilligkeit (Interview)

Ralf Siemens (38) ist Diplom-Politologe und Sprecher der "Kampagne gegen Wehrdienst" in Berlin, die es seit 1990 gibt.Wenn es womöglich keine Wehrpflicht mehr gibt, haben Sie dann ausgedient?

Ralf Siemens (38) ist Diplom-Politologe und Sprecher der "Kampagne gegen Wehrdienst" in Berlin, die es seit 1990 gibt.

Wenn es womöglich keine Wehrpflicht mehr gibt, haben Sie dann ausgedient?

Ganz bestimmt nicht. Denn wir bekämpfen ja nicht nur die Wehrpflicht, sondern auch das Militär. Nächstes Jahr werden wir eine reine Interventionsarmee bekommen und dann ist erst recht antimilitaristisches Engagement gefragt.

Wird es irgendwann einmal eine Kampagne gegen Zivildienst geben?

Diese Frage ist einfach falsch. Der Zivildienst ist unmittelbarer Bestandteil der Erfüllung der Wehrpflicht. Und weil das so ist, ist der Zivildienst auch eingeplant in der zivil-militärischen Zusammenarbeit. Zivildienst ist lediglich Kriegsdienst ohne Waffe. Der Zivildienst ist von der inneren Struktur gleich dem Wehrdienst nach Befehls- und Gehorsamsprinzip aufgebaut.

Würde die Kampagne sich denn mit einem sozialen Pflichtjahr anfreunden können?

Kategorisch nein! Ein Pflichtjahr verstößt gegen die elementaren Grundrechte der Betroffenen und richtet sich zudem gegen das Grundgesetz ebenso wie gegen internationale Vereinbarungen.

Nun geht es bei einem solchen Pflichtjahr womöglich weniger um Zwang als vielmehr um gesellschaftliche Solidarität.

Man kann gesellschaftliche Solidarität nicht über Zwang einkaufen, um die Missstände im Sozial- und Pflegebereich über die Zwangsverpflichtung von Heranwachsenden zu kaschieren. Das ist grundsätzlich der falsche Weg, übrigens auch für die zu pflegenden Menschen.

Glauben Sie, Jugendliche würden sich freiwillig zu sozialen Diensten melden?

Es gibt bereits das freiwillige ökologische Jahr. Dort gibt es zu wenig Stellen, um die große Nachfrage zu befriedigen. Es ist ein großes Potentzial an Interessierten vorhanden. Natürlich ist das nicht zu vergleichen mit der Anzahl von Zivildienstleistenden. Solche Dienste würden aber Anklang finden, wenn die Freiwilligkeit mit lohnenden sozialen Leistungen verbunden wäre. Es gibt viele Fragen nach Tätigkeiten im Ausland im Rahmen der Entwicklungshilfe und der internationalen Versöhnungsarbeit.

Kommen eigentlich nur Leute zu Ihnen, die nicht zur Bundeswehr wollen oder auch Leute, die sowieso Zivildienst machen wollen?

In den letzten Jahren hat sich die Tendenz bei den Leuten verstärkt, weder Wehr- noch Ersatzdienst zu leisten. Aus unserer Sicht ist die Akzeptanz in beiden Bereichen gesunken. Allerdings muss auch einmal gesagt werden: Der viel beschworene Notstand im Pflegebereich bei Abschaffung der Wehrpflicht tritt natürlich nicht ein. Westberlin hatte nie einen Zivildienst und der Pflegebereich ist auch nicht zusammengebrochen. Das Interview führte Armin Lehmann

Wenn es womöglich keine Wehrpflicht mehr gibt

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