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Weißrussland: Despotie vor den Toren der EU

Wer als EU-Bürger eine neue Osterweiterung der Staatengemeinschaft fürchtet, kann sich zumindest auf die Republik Weißrussland verlassen. Eine prowestliche Revolution mit anschließendem Drängen auf EU-Beitritt wie zuletzt in der Ukraine ist in Weißrussland nicht zu erwarten.

Minsk - Alexander Lukaschenko, den seine Gegner als «letzten Diktator Europas» bezeichnen, will sich am 19. März eine dritte Amtszeit als Präsident der Republik Belarus genehmigen. Der 51-jährige Sowjetnostalgiker genießt hinreichenden Rückhalt in der Bevölkerung, wenngleich in seinem Land die Menschenrechte mit Füßen getreten werden.

Das Land mit moderner Kommandowirtschaft, Fünfjahresplänen und fortlebendem KGB-Geheimdienst beginnt weniger als 700 Kilometer östlich von Berlin. Mit stalinistischen Methoden hat Lukaschenko den Staat, die Medien und auch die Gesellschaft gleichgeschaltet. Noch kurz vor der Wahl wurden mehrere Anhänger der Opposition ins Gefängnis gesteckt, weil sie angeblich unerlaubten Wahlkampf betrieben. Aus Sicht der drangsalierten Opposition ist Lukaschenko schon längst nicht mehr Präsident seines Landes. Mit einer von Fälschungsvorwürfen überschatteten Volksbefragung änderte Lukaschenko 2004 die Verfassung und ermöglichte sich die Option auf eine dritte Amtszeit. Wer in der Öffentlichkeit Kritik am Regime übt, muss mit dem Verlust seines Arbeits- oder Studienplatzes und schlimmstenfalls auch mit einer Gefängnisstrafe rechnen. «Bei uns herrscht eine offene Despotie. Die Verhältnisse werden immer schlimmer», klagen Oppositionsanhänger in Minsk.

Politische Gegner verschwunden

Bis heute ungeklärt ist das Verschwinden mehrerer Oppositionspolitiker 1999. Eine Untersuchung des Europarates lässt den Schluss zu, dass Gefolgsleute Lukaschenkos die unbequemen politischen Gegner ermorden ließen.

Lukaschenkos Anhänger finden sich vor allem in den Staatsbetrieben sowie unter den Alten, deren schmale Renten im Gegensatz zu Russland und der Ukraine in den vergangenen Jahren immer gezahlt wurden. Während die Landbevölkerung beinahe kollektiv hinter ihrem «Batka» (Väterchen) steht, konzentriert sich der Widerstand auf die großen Städte. Studenten, Kleinunternehmer sowie Gegner einer Wiedervereinigung mit dem übermächtigen Nachbarn Russland machen den Großteil der Opposition aus.

Zwar erreichen die Durchschnittslöhne monatlich kaum 200 Euro, doch für weißrussische Verhältnisse haben es viele Bürger zu einem bescheidenen Wohlstand gebracht. Billige Rohstoffexporte des großen Bruders Russland halten die weißrussische Wirtschaft über Wasser. Die Propaganda trichtert den Menschen ein, dass ohne Lukaschenko das Wirtschaftschaos ausbrechen würde.

Internationale Isolation

Drei Politiker sind als Gegenkandidaten zugelassen worden. Der Vertreter der vereinigten Opposition, Alexander Milinkewitsch, präsentiert sich als intelligenter Europäer, der sein Land zurück zu Demokratie und Menschenrechten führen und den Weg nach Westen ebnen will. Der zweite Lukaschenko-Gegner, Alexander Kosulin, hat vor der Wahl die Rolle des Kämpfers übernommen, der Korruption und Misswirtschaft geißelt. Der dritte Kandidat, Sergej Gajdukewitsch, gilt als Gefolgsmann des Präsidenten. Unabhängige Soziologen gehen davon aus, dass Lukaschenko etwa 55 Prozent der Bevölkerung hinter sich hat. Auf die Opposition entfielen bis zu 18 Prozent. Der Rest wolle sich spontan am Wahltag entscheiden.

Der international isolierte Lukaschenko hat es sich in seiner Wagenburg bequem gemacht. Beinahe täglich geißeln die Staatsmedien angebliche Versuche der Nachbarn Polen und Litauen, einen Staatsstreich in Weißrussland anzuzetteln. «Es ist erschütternd, dass viele bei uns diesen paranoiden Blödsinn auch noch glauben», sagt ein junger Journalist im Dienst einer weißrussischen Staatszeitung. (Von Stefan Voß, dpa)

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