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Foto: pa/dpa

© picture alliance / dpa

Weißrussland: Lukaschenko - Ein lästiger Diktator

Russland führt einen Medienkrieg gegen Weißrusslands Präsidenten Lukaschenko – der muss nun um seine Macht bangen

Weißrusslands demokratische Opposition ist voller Hoffnung. Jahrelang machtlos gegen den totalitären Staatsapparat und tief zerstritten, hat sie dieser Tage unversehens Unterstützung ausgerechnet aus Russland erhalten. Moskau hat einen regelrechten Medienkrieg gegen seinen einstigen Verbündeten entfesselt – wohl wissend, dass viele Weißrussen russisches Fernsehen schauen. Zu bester Sendezeit strahlte der Kreml-nahe Fernsehsender NTV einen Dokumentarfilm mit dem vielsagenden Titel „Der Pate“ aus. Darin ging es um niemand anderen als den autokratisch regierenden Staatspräsidenten Weißrusslands, Aleksander Lukaschenko. Der wird darin beschuldigt, politische Opponenten umgebracht und gegen russische Interessenten gehandelt zu haben. Zudem wird über Lukaschenkos angebliche Seitensprünge hergezogen.

Die Vorwürfe sind nicht neu. Präsidentschaftskandidat Aleksandr Kasulin hatte Ähnliches vor fünf Jahren während seines Wahlkampfauftritts im weißrussischen Staatsfernsehen berichtet und dies mit einer mehrjährigen Haftstrafe bezahlt. Neu ist hingegen, dass ausgerechnet der Kreml die Vorwürfe wiederholt. Vor ein paar Wochen wurde in Russland bereits ein ähnlicher Film ausgestrahlt; inzwischen hat sich auch die russische Tagesschau „Wriemia“ mit dem Verschwinden weißrussischer Oppositioneller befasst.

Je näher der nächste Präsidentenwahltermin in Weißrussland rückt, desto intensiver werden Moskaus Attacken gegen das westliche Nachbarland, das offiziell immer noch in einer Staatenunion mit Russland verbunden ist. Der spätestens im Februar 2011 fällige Wahltermin könnte laut Gerüchten aus Minsk auf November dieses Jahres vorgezogen werden. Lukaschenko, der für eine vierte Amtszeit antreten will und sich bisher stets auf die Fälschungsmaschinerie seiner Administration verlassen konnte, würde der Opposition damit wichtige Vorbereitungszeit nehmen. Die hat sich nämlich noch immer nicht auf einen gemeinsamen Kandidaten geeinigt.

Die Probleme zwischen Minsk und Moskau begannen mit dem Anfang Juli beigelegten Gasstreit und setzten sich in einer Auseinandersetzung um Weißrusslands Beitritt zu einer Zollunion zwischen Russland und Kasachstan fort. Lukaschenko warf seinem Amtskollegen Dmitri Medwedew vor, bisher habe nur Russland von der Zollunion profitiert und forderte Zollfreiheit für weißrussische Exportwaren sowie den Gas- und Ölimport aus Russland. Seine Gasschulden wollte er mit zusehends unverkäuflichen Mähdreschern und Lastwagen bezahlen.

Als Lukaschenko auf die Moskauer Medienoffensive mit der Ausstrahlung eines Interviews mit dem in Moskau verhassten georgischen Präsidenten Michail Saakashvili reagierte, riss der russische Geduldsfaden. Im Staatssender Rosja forderten Politiker und Politologen offen Lukaschenkos Rücktritt.

Bisher hatte der Kreml mangels Alternative jede gefälschte Wiederwahl Lukaschenkos unterstützt. Nun wurden erstmals offiziell vier weißrussische Oppositionspolitiker nach Moskau eingeladen. Neben dem Parteivorsitzenden der liberalen Vereinigten Bürgerpartei (ODS) Anatolij Lebedko erregte vor allem die Einladung des einstigen weißrussischen Vizeaußenministers Andrej Sannikow Aufsehen. Der umstrittene Gründer der im Westen dank seiner englischsprachigen Texte viel zitierten Website „charter97“ stilisiert sich in Minsk seit Jahren zu einer angeblich wichtigen Oppositionsfigur. Doch seine Bürgerinitiative „Europäisches Weißrussland“ ist in der Vergangenheit vor allem mit Wahlboykott-Aufrufen aufgefallen.

Nun allerdings porträtiert „charter97“ plötzlich Sannikow als möglichen Lukaschenko-Nachfolger. In einem Interview mit der britischen BBC sprach sich Sannikow kürzlich für einen EU-Beitritt Weißrusslands aus, forderte aber gleichzeitig eine enge strategische Partnerschaft mit Russland.

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