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Weißrussland: Lukaschenko ist ein Gast, der keiner sein soll

Die EU hofiert Weißrusslands autoritären Staatschef Lukaschenko: Fast unbemerkt von der Öffentlichkeit hat die Europäische Union ihre Politik gegenüber Weißrussland radikal geändert – von einer Politik der Sanktionen zu einer Politik des Dialogs.

Am 7. Mai will die EU mit sechs nahen oder fernen Nachbarn eine „Östliche Partnerschaft“ begründen, und Weißrussland soll von Anfang an dabei sein. Lange hatte die EU darüber gestritten, ob beim geplanten Gipfel in Prag auch der autoritär regierende weißrussische Staatschef Alexander Lukaschenko mit am Tisch sitzen sollte. Seit den manipulierten Präsidentenwahlen 2006 hatte er Einreiseverbot in die Staaten der EU, im Herbst vergangenen Jahres wurde diese Sanktion jedoch ausgesetzt. Nun lässt sich Lukaschenko in den weißrussischen Medien feiern: Am vergangenen Freitag überreichte ihm der tschechische Außenminister Karel Schwarzenberg die Einladung zum Gipfel. Damit ist er sogar der Erste, der offiziell zu dem Treffen gebeten wurde – noch vor Bundeskanzlerin Angela Merkel und den übrigen Staats- und Regierungschefs der EU.

Die Entscheidung der Europäer stößt bei weißrussischen Oppositionellen auf heftige Ablehnung: Die Einladung sei eine „Abkehr von den fundamentalen moralischen Werten Europas“, sagte der frühere Präsidentschaftskandidat und ehemalige politische Häftling Alexander Kosulin. Und der Oppositionspolitiker Anatoli Lebedko warf der EU vor, sie kapituliere vor den weißrussischen Machthabern. Bereits die Grünen-Bundestagsabgeordnete Marieluise Beck, die am Dienstag von einem Besuch in Minsk zurückkam, kritisierte das Vorgehen der Europäischen Union: „Für die Oppositionsbewegung ist das ein Schlag ins Gesicht“, sagte Beck dem Tagesspiegel. Die EU habe die weißrussischen Regimegegner nicht in die Neuausrichtung der Weißrusslandstrategie einbezogen, kritisierte Beck. „Man darf die Bürgerrechtler nicht im Regen stehen lassen und sie zugunsten einer Appeasementpolitik gegenüber der Führung in Minsk aufgeben.“ Unklar sei auch, ob die EU die neue Partnerschaft mit Weißrussland an bestimmte Konditionen geknüpft habe.

Mit großer Enttäuschung hatten weißrussische Bürgerrechtler auch den Besuch des EU-Außenbeauftragten Javier Solana im Februar in Minsk verfolgt: So vermissten sie ein klares öffentliches Statement zu der kurz zuvor verübten Gewalt von Sicherheitskräften gegen Demonstranten.

Die Einladung für den Gipfel in Prag war zwar an Lukaschenko adressiert. Im Text selbst werde er aber nicht namentlich genannt, die Einladung richte sich allgemein an das Land, sagte eine Sprecherin des tschechischen Außenministeriums. Weißrussland könne selbst entscheiden, wer an dem Gipfel teilnehme, wird in Prag betont. Insgeheim hoffen EU-Diplomaten, dass Lukaschenko nicht kommt, sondern einen Vertreter schickt. Dieses Szenario gilt sogar als nicht unwahrscheinlich: „In Prag müsste Lukaschenko damit rechnen, brüskiert zu werden“, sagt Vitali Silitski, Direktor des Weißrussischen Instituts für Strategische Studien. Aus Sicht des Politikwissenschaftlers war die Einladung an den autoritären Staatschef trotz allem ein richtiger Schritt: „Damit kann er nun nicht mehr sagen, Europa isoliere ihn.“

Mit der Annäherung an Europa gilt Lukaschenko zumindest in Teilen der EU wieder als hoffähig. Am kommenden Sonntag wird er zum ersten Mal seit 1995 offiziell von einer westeuropäischen Regierung empfangen. In Rom trifft er den italienischen Außenminister Franco Frattini. Außerdem hat der autoritär regierende Staatschef einen für ihn höchst ungewöhnlichen Termin – eine Audienz beim Papst.

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