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Politik: Weißrussland sucht Freunde in der Ferne

Lukaschenko umwirbt Iran und Venezuela

Der Gast aus Minsk begrüßte den iranischen Staatschef mit einer herzlichen Umarmung. Mahmud Ahmadinedschad sei ein gebildeter, verlässlicher und vernünftiger Mensch, pries Weißrusslands Präsident Alexander Lukaschenko nach seiner Ankunft in Teheran zu Wochenbeginn seinen iranischen Amtskollegen: „Man kann über ihn nichts Schlechtes sagen.“ Für die Lobeshymne revanchierte sich der Gastgeber nicht minder zuvorkommend: Weißrussland sei ein „unabhängiges Land“, dessen Präsident sich stets „weise und ernsthaft“ zu äußern pflege: „Unsere Ansichten zum Weltgeschehen liegen sehr nahe beieinander.“

Nach Westen hin vollkommen isoliert, sucht Weißrusslands autoritär regierender Staatschef seit einigen Monaten verstärkt nach neuen Partnern außerhalb Europas. Bereits bei der Konferenz der „Nichtpakt-Länder“, zu denen sich Weißrussland als einziges europäisches Land rechnet, gab Lukaschenko im September in Kuba zu verstehen, er wolle sich künftig als einer der Hauptideologen der Bewegung profilieren. Dabei treiben ihn weniger politische als wirtschaftliche Gründe: Lukaschenko will Europas letzte Planwirtschaft unabhängiger von russischen Energielieferungen machen.

Bislang muss Minsk dem Bruderstaat für ein Barrel Rohöl etwa die Hälfte des Weltmarktpreises bezahlen, für Erdgas sogar weniger als ein Viertel. Dank der Billigimporte sind die weißrussischen Raffinerien zum größten Devisenbringer des Landes geworden: Für fast das Doppelte des Bezugspreises verkauft Minsk verarbeitetes Rohöl aus Russland in den Westen. Doch der mehrheitlich in russischem Staatsbesitz befindliche Monopolkonzern Gasprom will im kommenden Jahr seine Lieferungen von 50 auf 140 Dollar pro 1000 Kubikmeter Erdgas verteuern – um eine Beteiligung an der weißrussischen Pipelinegesellschaft Beltransgas zu erzwingen. Denn ein Fünftel der russischen Erdgasexporte nach Europa läuft bislang über Weißrussland.

Um neue Energiequellen zu erschließen, sucht Lukaschenko nun den verstärkten Kontakt zu Staaten wie Venezuela oder Iran. Auf eine Milliarde Dollar soll sich beispielsweise der Handel Weißrusslands mit Teheran im nächsten Jahr verdreißigfachen. Außer warmen Worten und robusten Traktoren hat der Autokrat den neuen Partnern seiner antiamerikanischen „Achse“ vor allem den Zugang zu Erzeugnissen der russischen Rüstungsindustrie zu bieten. So soll Teheran vor allem an russischen Raketen zur Abwehr möglicher Angriffe der USA oder Israel interessiert sein.

Thomas Roser[Warschau]

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