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Weißrussland: Vom Westen enttäuscht

Nach Niederschlagung von Protesten in Weißrussland fordert die Opposition die EU zum Handeln auf.

Berlin - So etwas hat es in Europa seit Jahrzehnten nicht gegeben: Proteste gegen eine offensichtlich gefälschte Wahl wurden brutal niedergeschlagen, Hunderte wurden festgenommen, Oppositionskandidaten sitzen im KGB-Gefängnis und müssen lange Haftstrafen fürchten. Die Hoffnung auf eine Öffnung Weißrusslands nach Westen ist vorerst zerstört. Bundesaußenminister Guido Westerwelle und seine Amtskollegen aus Polen, Schweden und Tschechien verglichen die Situation in einem Beitrag für die „New York Times“ mit der Ausrufung des Kriegsrechts in Polen 1981. Die EU erwägt nun Sanktionen gegen das Regime des autoritär regierenden Staatschefs Alexander Lukaschenko. Schwedens Außenminister Carl Bildt forderte Einreiseverbote gegen Lukaschenko und diejenigen, die für die Niederschlagung der Proteste verantwortlich sind. Auch Ungarn sprach sich für Sanktionen aus.

Bereits nach der Wahl 2006 hatte die EU Sanktionen gegen Lukaschenko und sein Regime verhängt. Weil die Politik der Isolation nicht die gewünschten Ergebnisse zeigte und weil Lukaschenko drei Gefangene freigelassen hatte, leitete die EU 2008 einen neuen Kurs ein: Die Sanktionen wurden ausgesetzt, Weißrussland wurde in die Östliche Partnerschaft aufgenommen, für den Fall einer fairen Wahl versprach die EU massive Finanzhilfe. Doch nun wurde deutlich, dass auch diese Strategie nicht zum gewünschten Erfolg führte: „Lukaschenko hat seine Wahl getroffen – und es ist eine Wahl gegen alles, wofür die Europäische Union steht“, schrieben die vier Außenminister in der „New York Times“.

Als die Grünen-Bundestagsabgeordnete Marieluise Beck kurz nach Weihnachten nach Minsk reiste , traf sie nur noch wenige bekannte Gesichter. Ihre alten Gesprächspartner saßen im Gefängnis. Die Vertreter von Opposition und Medien kritisierten, dass der Westen sich „zurückhaltend“ verhalte, während vom Regime „Staatsterror“ ausgeübt wurde. „Die Enttäuschung über den Westen war sehr groß“, sagte Beck dem Tagesspiegel. Von einem „unglücklichen Rückschritt“ hatten zuvor die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton und die US-Außenministerin Hillary Clinton gesprochen.

Der Oppositionspolitiker Alexander Milinkewitsch, der 2006 gegen Lukaschenko angetreten war und diesmal die Wahl boykottiert hatte, fordert nun in einem Brief an Ashton und den EU-Ratspräsidenten Herman Van Rompuy eine deutliche Antwort der EU auf die Repressionen. „Der Dialog zwischen der EU und weißrussischen Behörden sollte erst fortgesetzt werden, wenn alle Gefangenen freigelassen sind und die politisch motivierte Drangsalierung der Demokratiebewegung und der unabhängigen Medien ein Ende hat“, heißt es in dem Brief. Milinkewitsch fordert neben Einreiseverboten das Einfrieren der Beziehungen sowie der finanziellen Unterstützung für staatliche Stellen, gezielte Wirtschaftssanktionen und Stipendien für Studenten, die aus politischen Gründen exmatrikuliert wurden. Die „effektivste Antwort“ auf die Repression wäre aber mehr Unterstützung für die Zivilgesellschaft und unabhängige Medien, betont Milinkewitsch. Außerdem sollten die Gebühren für Schengen-Visa gesenkt werden.

Als erstes EU-Land hat Polen bereits gehandelt. Seit dem 1. Januar sind nationale Visa – die etwa von Studenten genutzt werden – für Weißrussen kostenlos. Außerdem verhängte Warschau ein Einreiseverbot gegen Lukaschenko. Die Liste mit weiteren Regierungsvertretern sei noch in Arbeit, hieß es am Mittwoch in Diplomatenkreisen.

Die Enttäuschung über den Westen ist in Minsk auch deshalb groß, weil die EU bisher die Zivilgesellschaft kaum unterstützt hat. „Damit hat sich die EU in den vergangenen Jahren sehr schwer getan“, sagt Stephan Malerius vom Auslandsbüro Belarus der Konrad-Adenauer-Stiftung. So habe die EU etwa für die Förderung eines Projekts zur Bedingung gemacht, dass es erst von den weißrussischen Behörden genehmigt wird. Die EU müsse in diesem Bereich mehr investieren. „Belarus war am unteren Ende der politischen Agenda in Europa“, sagt Malerius.

Eine Schlüsselrolle in den Beziehungen zwischen der EU und Weißrussland könnte Moskau zukommen. Russland hatte eine mögliche Annäherung an den Westen mit Sorge gesehen. Von der jüngsten Entwicklung habe vor allem der Kreml profitiert, betont Milinkewitsch. Bisher hat Lukaschenko den Westen und Russland gegeneinander ausgespielt. „Lukaschenko denkt, dass die EU den Dialog aus geopolitischen Erwägungen in jedem Fall fortsetzen wird“, glaubt Milinkewitsch. Außerdem habe dieser nun ein Faustpfand – neue politische Gefangene.

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