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Politik: Weitere US-Soldaten unter Mordanklage

In drei Verfahren wird ermittelt / Nach gewaltsamem Tod eines Verteidigers tritt Saddam in Hungerstreik

Die US-Armee hat neun weitere Soldaten des vorsätzlichen Mordes an Irakern angeklagt – ein Umstand, der auch die erste große Debatte im US-Senat über die Zukunft des Einsatzes im Irak stark überschattet. In Amerika ist die Forderung nach einem allmählichen Rückzug der Truppen wenige Monate vor den Kongresswahlen zwar populär. Dagegen ist ein fester Zeitplan für den Rückzug nicht mehrheitsfähig, nicht einmal innerhalb der Demokratischen Partei. Die Öffentlichkeit folgt der Darstellung der Republikaner, dies komme einer feigen Flucht gleich. Wie die „New York Times“ berichtet, will die Führung der Republikaner die entschlossene Fortsetzung des Irakkriegs zu ihrer Hauptbotschaft bei der Kongresswahl machen und etwaige Forderungen der Demokraten nach einem Zeitplan für den Abzug der Armee als feiges Davonlaufen angreifen. Unter Experten gilt dies als aussichtsreiche Strategie.

Die Mordanklagen gegen US-Soldaten betreffen unter anderem einen Einsatz in Hamdania im sunnitischen Widerstandsgebiet westlich von Bagdad. Acht Soldaten, die in US-Zeitungen mit vollem Namen genannt werden, sollen dort Ende April einen Iraker aus seinem Haus geholt, ihn an Händen und Füßen gefesselt und erschossen haben. Später hätten sie ihn mit einer Kalaschnikow und einer Schaufel an den Straßenrand gelegt, um den Eindruck zu erwecken, er habe ein Loch für eine Bombe gegraben. Laut Armee wurde die Untersuchung am 1. Mai eingeleitet, nachdem Sunniten das US-Kommando bei einer Lagebesprechung auf den Fall hingewiesen hatten.

In einem anderen Fall in der Salahuddin-Provinz im Süden des Landes wurde in einem Mordprozess die Anklage auf einen vierten Soldaten ausgeweitet. Drei Marines waren dort bereits angeklagt. Ihnen wird außerdem vorgeworfen, die Tat vertuscht zu haben. Außerdem dauern die Untersuchungen des mutmaßlichen Massakers von Haditha an. Dort sollen im November 24 unbewaffnete Zivilisten bei Hausdurchsuchungen von Marines getötet worden sein. In dem Fall ist noch keine Anklage erhoben worden.

Viele Schiiten unter den rund hundert am Mittwoch entführten Mitarbeitern des irakischen Wirtschaftsministeriums waren am Donnerstag noch in der Hand ihrer Geiselnehmer. Der Überfall auf die Busse nördlich von Bagdad, mit denen die Angestellten von der Arbeit in die Hauptstadt zurückgebracht wurden, war offenbar Teil der Kämpfe zwischen Sunniten und Schiiten. Die 50 Entführer ließen Frauen und Männer frei, die sich als Sunniten ausgaben, sagten Betroffene. Mindestens zwei Schiiten wurden erschossen. Die Polizei befreite bei der Erstürmung eines Bauernhofs 17 Geiseln und nahm mehrere Entführer fest.

Der frühere Diktator des Iraks, Saddam Hussein, und einige seiner Mitangeklagten wollen mit einem Hungerstreik besseren Polizeischutz für ihre Anwälte erzwingen. Am Dienstag war der dritte Verteidiger Saddams in Bagdad erschossen worden. Chamis al Obeidi war nach Darstellung seiner Frau morgens vor den Augen seiner Kinder von Männern aus dem Haus geholt und erschossen worden, die sich als Geheimdienstmitarbeiter ausgegeben hatten. Augenzeugen sagten, es sei die Tat der Mahdi-Armee des radikalen Schiitenführers Muktada al Sadr. Saddams Verteidiger fordern nun eine Unterbrechung des Prozesses, in dem dem Ex-Diktator die Todesstrafe droht. Die Schlussplädoyers sind für Juli geplant.

Vier entführten Mitarbeitern der russischen Botschaft droht der Tod. Radikale Geistliche sagten in einem Video, sie würden getötet, weil Moskau seine Truppen nicht aus Tschetschenien abziehe. Bei neuen Anschlägen und Kämpfen starben fünf US-Soldaten, die Zahl der amerikanischen Gefallenen stieg damit auf 2512.

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