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Politik: Wellness in Weimar

Die Neujahrsklausur hat für die SPD vor allem therapeutische Wirkung – doch etwas Innovation kann nicht schaden

DAS ZUKUNFTSKONZEPT DER SPD

Von Markus Feldenkirchen, Weimar

Eigentlich müsste die satte Lage Schnee, die den Goethepark zu Weimar bedeckt, am Ende dieser SPD-Klausurtagung geschmolzen sein – so viel heiße Luft wurde hier binnen zweier Tage ausgestoßen. Die Spitze der deutschen Sozialdemokratie hat sich zu einer Art Wellness-Wochenende zurückgezogen. Nur eben nicht am Wochenende. Dafür in historischer Kulisse. Was will man schon erwarten von einer Tagung, die im Zeichen des schönen Wortes „Innovation“ steht? Nicht mehr als wohlklingende Zukunftsrhethorik. Nicht mehr als gut gemeinte Absichtserklärungen. Konkretes? I wo! Stattdessen hört man Sätze wie die des bayerischen SPD-Chefs Ludwig Stiegler, der die Aufgabe der SPD wie folgt beschreibt: „Wie kriegt das ganze Land wieder Fahrt? Wie ist die eingefrorene Dynamik zu entfesseln?“ Auf schlüssige Antworten freilich muss noch gewartet werden. Schließlich soll das hier nur ein „Auftakt“ sein zu einem Prozess, der zehn bis 20 Jahre dauern kann. Es gehe, sagt Stiegler „um die Wiederentdeckung des Fortschrittsbegriffs“.

Franz Müntefering hat die seltene Gabe, die Dinge auf den Punkt zu bringen. Gerade dem Weimarer Schnee entstapft, sagt er: „Das Problem mit der Innovation ist, dass das immer nach Feuilleton klingt. Das hat eine gewisse Unbestimmtheit.“ Wenigstens erzeugt diese Harmonie Heiterkeit unter den Genossen. Man trifft also auf Sozialdemokraten, die nur stark schmunzelnd über die selbst auferlegte Innovationseuphorie sinnieren. „Das ist der Renner“, sagt ein Genosse voller Ironie: „Was manche geahnt und viele befürchtet haben, wird jetzt Wirklichkeit; die SPD ist für Innovation.“ So hat diese Innovationstagung in erster Linie therapeutische Wirkung.

Insofern ist das Positionspapier des Generalsekretärs genau die richtige Vorlage für diese Klausurtagung. „Weimarer Leitlinien Innovation“ hat Olaf Scholz seine 14 absichtsstarken, aber inhaltsschwachen Seiten betitelt. Streiten lässt sich darüber kaum. Und wenn, dann nur über Feinheiten. Aus Mangel an Konflikten ringt man in Präsidium und Vorstand immerhin kurz über die Passage, in der es um Elite-Universitäten geht, die man dann lieber „Spitzenhochschulen“ nennt. Am Ende bleibt offen, wie viele davon entstehen sollen, auf wessen Initiative, mit wessen Geld. Vielleicht über die Erbschaftsteuer? Zur Finanzierung von Bildung könne eine neu geregelte Erbschaftssteuer dienen, sagt der Kanzler. Solange es vage bleibt, lässt sich leicht von einem nordrhein-westfälischen Harvard oder Brandenburger Stanford träumen. Etwas konkreter wurde dagegen Bundesbildungsministerin Edelgard Bulmahn. Sie sprach sich für etwa zehn Spitzen-Universitäten in Deutschland aus. Die finanzielle Förderung von Elite- Hochschulen solle schwerpunktmäßig beim Bund liegen, sagte sie im ZDF-„Morgenmagazin“. Die Mittel für diese „Allianz für Innovationen“ sollten zu zwei Dritteln von der Wirtschaft kommen und zu einem Drittel von Bund und Ländern.

Ansonsten ist nur eines gewiss: Weitere Steuersenkungen wird es mit der SPD nicht geben. „So sehr ich das den Menschen gönne“, sagt Müntefering, „aber wer wie die Union weitere Steuersenkungen verspricht, der nimmt Geld weg für die Innovation des Landes“. Das Prinzip, mit dem sich die SPD auch künftig vom konservativen Konkurrenten unterscheiden will, wird in Weimar überdeutlich. Jeder noch verfügbare Euro soll in Bildung und Forschung fließen, nicht auf die Konten der Bürger. „Diesen Streit muss man austragen“, sagt Müntefering und stapft zurück in den Weimarer Schnee. Der ist noch nicht geschmolzen.

Markus Feldenkirchen[Weimar]

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