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Welt-Aids-Konferenz: Wie der Kampf gegen Aids verläuft

Am Sonntag beginnt die Welt-Aids-Konferenz in Wien. Dabei wird besonders über die Diskriminierung von Menschen mit der Immunschwächekrankheit geredet.

Aids stand ganz oben auf der Agenda. Die Uno-Generalversammlung organisierte 2006 ein Spitzentreffen von Experten und Politikern zu der Pandemie. Der Ort der Veranstaltung: die US-Metropole New York, der Sitz der Uno-Generalversammlung. Große Worte fielen. Die Geißel Aids, so mahnte der damalige Uno- Generalsekretär Kofi Annan, müsse entschlossen bekämpft werden. Die Delegierten nickten. Doch bei einigen von ihnen kochte noch immer die Wut über die Einreisebestimmungen des Uno-Gastlandes. Denn die Amerikaner verweigerten HIV-infizierten Menschen den Aufenthalt im Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Delegierte, die selber mit Aids lebten, mussten sich mühsam eine Ausnahmegenehmigung für ihre Einreise erkämpfen. Die Diskriminierung empörte auch Michel Sidibé. Der Mann aus Mali arbeitete im Hilfsprogramm Unaids in Genf. „Es ist nicht zu akzeptieren, wenn man nicht an einer Diskussion über die eigene Zukunft teilnehmen darf“, schimpfte er. „Jeder Mensch sollte das gleiche Recht haben, sich frei auf der Welt zu bewegen. Auch Menschen, die mit Aids leben.“

Heute ist Sidibé der Direktor von Unaids. Ab Sonntag wird der Afrikaner auf dem weltgrößten Aids-Kongress in Wien gegen die Diskriminierung der mehr als 33 Millionen HIV-positiven Menschen kämpfen: „Rechte hier, Rechte jetzt“, heißt das Motto des Treffens. „Heute ist absolut klar, dass Stigmatisierung, Diskriminierung und die Verletzung der Rechte sowie Strafmaßnahmen gegen besonders von HIV betroffene Menschen den effektiven Kampf gegen Aids schwächen“, sagt Sidibé.

Wo werden HIV-Infizierte diskriminiert?

Die Ächtung fängt in der Schule an, zieht sich durch das Berufs- und Sozialleben. Auch Behörden vieler Staaten behandeln Betroffene wie Menschen zweiter Klasse. Laut Unaids gelten in rund 80 Staaten gleichgeschlechtliche Liebesakte als kriminell. Als eine der übelsten Diskriminierungen empfinden HIV-Infizierte, wenn sie an Landesgrenzen abgewiesen werden. Nach Zählung von Unaids wenden 51 Staaten, Territorien und Sondergebiete restriktive Regeln gegen einreisewillige HIV-Infizierte an. Viele dieser Länder sind muslimisch geprägt. Fünf Staaten verweigern sogar Visa für Kurzaufenthalte, darunter Ägypten. In 22 Ländern droht eingereisten HIV-Infizierten die zwangsweise Ausweisung, sobald die Behörden ihre gesundheitliche Lage entdecken, etwa in Russland und Singapur.

„Reisebeschränkungen im Zusammenhang mit HIV bringen nichts“, kritisiert Sidibé. Viele Betroffene verheimlichen deswegen ihre Situation oder schieben einen HIV-Test auf. Dabei geht wertvolle Zeit für die Behandlung verloren. Immerhin: Seit diesem Jahr dürfen HIV-positive Menschen in die USA einreisen und sich auch dort niederlassen, nach 22 Jahren.

Was ist Aids genau?

Die Abkürzung „Aids“ steht für „Akquiriertes Immundefizit-Syndrom“, zu Deutsch: erworbene Immunschwäche. Die Ursache ist das 1985 entdeckte Humane Immunschwächevirus (HIV). Es gehört zu den Retroviren, wird meist über Geschlechtsverkehr verbreitet und dringt über die genitale Schleimhaut in den Körper ein. Das Besondere an dem Virus, das sich vermutlich aus dem westlichen Zentralafrika seinen Weg in die Welt gebahnt hat, ist die Tatsache, dass es das Immunsystem befällt. Also genau jenes System, das eigentlich mit der Abwehr von Krankheitserregern befasst ist. HIV dringt zunächst in dendritische Zellen, Fresszellen und T-Helferzellen ein – alles Zellen der Körperabwehr –, breitet sich dann über Lymphknoten und Blut aus und nistet sich rasch in etlichen Organen ein, darunter Gehirn, Milz und Lymphknoten. Das Absterben der Helferzellen schwächt das Immunsystem, das Risiko für Infektionen und bestimmte Krebserkrankungen wächst. Von Aids spricht man aber erst dann, wenn bei HIV-Infizierten bestimmte Krankheiten auftreten, zum Beispiel ein Candida-Pilzbefall der Lungen oder das Kaposi-Sarkom, eine bösartige Geschwulst des Bindegewebes. Wird die Infektion mit HIV nicht behandelt, dauert es im Mittel knapp zehn Jahre, bis Aids ausbricht. Ohne Therapie führt Aids nach etwa neun Monaten zum Tod. Der langsame Verlauf der Krankheit erleichtert es dem Erreger, sich weiter auszubreiten. Würde HIV sein Opfer rasch töten, wäre die Pandemie vermutlich längst erloschen – wie ein Strohfeuer.

Wie verbreitet ist die Krankheit?

Weltweit leben laut Unaids mehr als 33 Millionen Menschen mit einer HIV-Infektion oder Aids. 2008 starben rund zwei Millionen Menschen im Zusammenhang mit Aids, im selben Jahr infizierten sich 2,7 Millionen Erwachsene und Kinder neu mit HIV. Seit Ausbruch der Krankheit vor rund 30 Jahren starben daran rund 25 Millionen Menschen. Im Afrika südlich der Sahara wütet die Seuche am schlimmsten: Nach Schätzungen leben dort rund 23 Millionen Menschen mit HIV, zwei Millionen Menschen stecken sich jährlich neu an und rund 1,5 Millionen Erwachsene und Kinder sterben jährlich im Zusammenhang mit Aids.

Ein Schwerpunkt der Konferenz ist Osteuropa und Zentralasien – die einzige Weltregion, in der nach Angaben der Vereinten Nationen die Zahl der HIV-Neuinfektionen weiter steigt, vor allem bei Drogenkonsumenten. 2008 waren es 110 000. Allein in Russland wurden im vergangenen Jahr mehr als 45 000 neue Fälle registriert. Und das nicht nur in Großstädten wie Moskau und St. Petersburg. Auch in Samara an der Wolga, im Südural, in Ostsibirien und im autonomen Bezirk der Chanten und Mansen, einer durch Öl- und Gasförderung boomenden Region in der Arktis, kennt die Statistik nur eine Richtung: steil aufwärts.

Wie wird die Krankheit behandelt?

Anfang der 80er Jahre war Aids fast immer tödlich. Diese Situation hat sich gewandelt, seit es hochwirksame Mittel gegen das Aidsvirus gibt. Sie sind heute das Rückgrat der Behandlung und ermöglichen es Menschen mit HIV häufig, ein weitgehend normales Leben zu führen. Die HIV-Infektion ist zur chronischen Krankheit geworden.

Seit Mitte der 90er Jahre ist daraufhin die Zahl der Aids-Todesfälle in Ländern, die sich die Medikamente leisten können, drastisch zurückgegangen. Die Ursache ist „HAART“, die „hochaktive antiretrovirale Therapie“, eine Kombination aus drei oder mehr Medikamenten, die HIV auf verschiedenen Ebenen dauerhaft blockieren. Aids-Experten streiten seit fast zehn Jahren um die Frage, wann Patienten mit „HAART“ beginnen sollen. Im Moment schlägt das Pendel wieder in Richtung frühe Behandlung aus. Es gibt starke Hinweise, dass ein Therapiebeginn zu einem Zeitpunkt, an dem die Zahl der Helferzellen noch nicht im Keller ist, die Überlebenschancen deutlich erhöht. Allerdings: Die Hoffnung, HIV mit Medikamenten völlig aus dem Körper zu vertreiben, erwies sich als trügerisch.

In den letzten Jahren wurde die Behandlung mit Medikamenten auch in Schwellen- und Entwicklungsländern verbessert. Recht gut ist die Versorgung in Mittel- und Südamerika, zu gering ist sie in den meisten Regionen Afrikas, Asiens und Osteuropas. Unaids schätzt, dass lediglich fünf Millionen Bedürftige die erforderlichen Arzneimittel bekommen – von 15 Millionen, die sie benötigten.

Warum ist die Suche nach einem Impfstoff so schwierig?

Im September 2009 schien der Sieg zum Greifen nah. In Thailand war ein HIV-Impfstoff erprobt worden, und er verringerte das Infektionsrisiko um ein Drittel, hieß es von beteiligten Wissenschaftlern in einer Pressekonferenz. Als die Ergebnisse einen Monat später veröffentlicht wurden, schrumpfte der Erfolg deutlich zusammen, Ernüchterung stellte sich ein. Ein Hoffnungsschimmer, mehr nicht. Der Grund für jahrzehntelange Misserfolge bei der Suche nach einem Impfstoff: HIV ist extrem wandlungsfähig und entschlüpft so immer wieder dem Immunsystem. Außerdem verkriecht sich der Erreger an Stellen, die unerreichbar für die Körperabwehr sind.

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