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Welternährungsgipfel: "Das Abschlusspapier füllt keinen einzigen Teller"

Nichtregierungsorganisationen kritisieren das Ergebnis des Welternährungsgipfels in Rom als unzureichend. Es gibt zwar Geld für Sofortmaßnahmen gegen den Hunger, doch der organisatorische, bürokratische und politischen Apparat verhindert eine langfristige Hilfe.

Der Streit um ein Abschlussdokument hat den Welternährungsgipfel in Rom den ganzen letzten Tag beschäftigt. Nicht verständigen konnten sich die Delegationen von 183 Staaten am Donnerstag vor allem über die „Schuld“ des Biosprits an der derzeitigen Nahrungskrise und den explodierenden Lebensmittelpreisen in der Welt. Ein weiterer Streitpunkt war die Förderung der Gentechnik als ein mögliches Mittel zu höherer Lebensmittelproduktion. Vertreter von Nichtregierungsorganisationen (NGOs) kritisierten, der FAO-Gipfel habe keinerlei substanziellen Konzepte zur Bekämpfung des Hungers vorgelegt. Die NGOs, die sich mit einem „Gegengipfel“ als die unmittelbaren Sprecher der Not leidenden Länder betrachteten, erklärten enttäuscht, sie seien nicht einmal angehört worden.

An Geld zu Sofortmaßnahmen gegen den Hungers mangelt es offenbar nicht mehr. Allein die Islamische Entwicklungsbank mit Hauptsitz im saudi-arabischen Dschiddah hat der FAO 1,5 Milliarden Dollar versprochen. Die Weltbank will 1,2 Milliarden Dollar lockermachen. Zusammen sind schon diese beiden „Spenden“ weit mehr, als die FAO zur Soforthilfe gefordert hat. Einige bange Fragen stellten sich beim Gipfel trotzdem: Wie soll der Geldsegen verteilt werden? Gibt es überhaupt die Strukturen zur viel gewünschten, direkten Förderung der Kleinbauern, vor allem in Afrika? Oder gibt es gar allzu viele Strukturen?

Allein die FAO steht seit Jahren als schwerfälliger, veralteter, kostentreiberischer Apparat in der Kritik; ein UN-interner Bericht attestierte ihr 2007 auf 400 Seiten die „finanzielle und programmatische Krise“. Neben der FAO – gut 3600 Beschäftigte weltweit, die Hälfte davon in Rom – unterhalten die Vereinten Nationen auch noch zwei andere Behörden: Das „Welternährungsprogramm“ (WFP) und „Ifad“, den „Internationalen Fonds für Landwirtschaftliche Entwicklung“. Zudem hat UN-Generalsekretär Ban Ki Moon in Rom auch noch eine spezielle Eingreiftruppe der Vereinten Nationen angekündigt und Pläne zur Hungerbekämpfung vorgelegt, von denen unklar ist, ob sie auch Pläne der FAO sind.

Selbst, wenn das Geld durch alle organisatorischen, bürokratischen und politischen Siebe tatsächlich auf den bedürftigen, ausgedörrten Ackerboden rinnen sollte, dann ist damit höchstens kurzfristig geholfen. So jedenfalls lautet einer der Kritikpunkte, die Vertreter von NGOs) in Rom vorbringen. Die Politik der „großen“ Staaten und deren „Agrarindustrie“ hätten – wieder einmal – einen langfristig wirksamen Strukturwandel verhindert.

Anders als viele seiner Kollegen begrüßt Rafael Schneider von der Deutschen Welthungerhilfe nicht einmal die beschlossene Förderung von Kleinbauern. Die Verbilligung von Saatgut und Düngemittel bringe sie nur in zusätzliche Abhängigkeit, sagt Schneider, langfristige Maßnahmen etwa für die Weiterbildung der Bauern, für Gesundheit und Infrastruktur tauchten gar nicht als Schwerpunktthemen auf. Noch pessimistischer äußert sich Maryam Rahmanian von der iranischen Organisation Cenesta: „Die Abschlusserklärung des FAO-Gipfels füllt keinen einzigen Teller.“

Besonders enttäuscht sind Vertreter von NGOs darüber, dass die Spekulation mit Nahrungsmitteln im Abschlussdokument übergangen wird. Dabei sind gerade in den vergangenen Monaten immer mehr internationale Finanzfonds in das Warentermingeschäft mit Getreide eingestiegen, weil sie sich bei verknapptem Angebot und ungebremster Nachfrage höhere Renditen erhofften. So haben sie ihrerseits die Preise nach oben getrieben. „Wenn an der Börse der Preis für eine Tonne Reis innerhalb von fünf Wochen von 400 auf 1000 Dollar steigt, dann ist das ganz klar die Frucht der Spekulation“, sagte der Vorsitzende des Entwicklungsausschusses des Europäischen Parlaments, Josep Borrell Fontelles, in Rom.

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