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Teamarbeit. Ein Rapsfeld zur Agrarspritproduktion vor einem Windpark in der Eifel. Beiden traut der Weltklimarat eine bedeutende Rolle im künftigen Energiesystem zu.

© dpa

Weltklimarat: Erneuerbare Energien sind wettbewerbsfähig

IPCC sieht im Ausbau der erneuerbaren Energien einen bezahlbaren Beitrag zum Klimaschutz. Umweltminister Norbert Röttgen sagt: Wir schotten uns nicht vor Flüchtlingen ab.

Eines hat Ottmar Edenhofer dann doch erstaunt: „Wie viel wir nicht wissen“, sagte er mit Blick auf den am Montag in Berlin vorgestellten Bericht des Weltklimarats (IPCC) über erneuerbare Energien. Edenhofer ist Ko-Vorsitzender der Arbeitsgruppe III des IPCC. Die größte Leistung des Berichts ist aus seiner Sicht deshalb, dass er die Kosten verschiedener Energieformen vergleichbar macht.

Edenhofer, Chefvolkswirt des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung und Professor an der Technischen Universität für Klimaökonomie, hat monatelang nach Informationen über die „Levelized Costs of Energy“ gefahndet. Damit sind die Investitionskosten gemeint, die über den Lebenszyklus einer Anlage hinweg aufgebracht werden müssen. Dazu werden die Kosten der Energieerzeugung über die gesamte Lebensdauer der Anlage hinweg ins Verhältnis gesetzt. Erfasst werden also lediglich die Kapitalkosten und die Kosten für den jeweiligen Treibstoff. Dennoch macht diese Rechnung die unterschiedlichsten Energieformen auf einer theoretischen Ebene vergleichbar. Allein dieser Vergleich zeigt, dass viele erneuerbare Energien „bereits heute wettbewerbsfähig sind“, sagt Edenhofer.

Strom aus Biomasse beispielsweise ist bereits so günstig wie aus Kohle, wenn Holzabfälle mit verfeuert werden. Das Gleiche gilt für Erdwärme, Wasserkraft und teilweise die Windenergie. Nur die Solarenergie und die Meeresenergie können in einem fossilen Energiesystem bisher nicht konkurrieren. Noch besser sieht das Verhältnis zwischen Investitionskosten und Erzeugungskosten bei der Wärmeerzeugung aus. Sowohl Biomasse als auch Solarthermie und Erdwärme produzieren Wärme so preiswert wie Erdöl oder Erdgas. Bei den Agrartreibstoffen gibt es ebenfalls bereits weitgehende Preisparität.

Der IPCC zieht aus diesem Kostenvergleich den Schluss, dass die erneuerbaren Energien noch wettbewerbsfähiger würden, wenn die sogenannten externen Kosten in den Preis für fossile Energien einfließen würden. Damit ist gemeint, dass die Nutzung der Atmosphäre als Deponie für Kohlendioxid (CO2) einen Preis haben müsste. Außerdem müssten die Kosten in Rechnung gestellt werden, die durch die Verbrennung von Öl, Gas und Kohle darüberhinaus für das Gesundheitswesen entstehen. Dabei geht es sowohl um die Luftverschmutzung als auch um Todesfälle oder Verletzungen bei der Förderung der Rohstoffe. Bei der Atomenergie müsste zudem eine Art Risikoaufschlag erhoben werden, eine der Lehren aus der Katastrophe von Fukushima. Bei all diesen Risiken schneiden die meisten erneuerbaren Energien viel besser ab als die fossilen Brennstoffe. Wobei jedoch auch erneuerbare Energien nicht ohne Risiken und Nebenwirkungen sind, wie die Debatte über die Auswirkungen einer groß angelegten Nutzung von Agrartreibstoffen gezeigt hat.

Ein weiteres Ergebnis des Berichts, an dem mehr als 120 Autoren zwei Jahre lang gearbeitet haben, lässt bei Edenhofer Zweifel darüber aufkommen, wie groß die Rolle erneuerbarer Energien tatsächlich werden kann. Denn die Integration von Wind- und Solarstrom, die wetterabhängig sind, in bestehende Energienetze von Industriestaaten sei eine Herausforderung, die derzeit selbst die Ingenieure noch überfordere. „Wie sie einen höheren Anteil als 30 Prozent der Stromproduktion handhaben sollen, wissen selbst die Fachleute noch nicht“, gibt er zu bedenken. Dennoch lautet Edenhofers Fazit: „Erneuerbare Energien können entscheidend zur Vermeidung eines gefährlichen Klimawandels beitragen, weil mit ihrer Hilfe der Treibhausgasausstoß um bis zu einem Drittel gesenkt werden kann.“

Für Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) ist der IPCC-Bericht eine Bestätigung seiner Linie in der aktuellen Energiedebatte. Er sprach von einer „Zeitenwende, ausgelöst durch die Reaktorkatastrophe in Japan“. Eindringlich warnte Röttgen vor den Folgen des Klimawandels bis hin zu Flüchtlingsströmen. Mit Blick auf zu erwartende Klimaflüchtlinge sagte Röttgen: „Vor denen wollen wir keine schützenden Mauern errichten, und es wird sie auch nicht geben.“

Bundesforschungsministerin Annette Schavan (CDU) stellte in ihrer Rede fest, dass im Blick auf die Atomenergie in Deutschland derzeit „die Wucht der Risiken die Chancen überwiegt“. Sie forderte die „Bereitschaft zu umfassender Veränderung“ von der ganzen Gesellschaft.

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