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Weltsozialforum: Politik gibt den Globalisierungskritiker

Die Globalisierungskritiker hatten Recht mit ihrer Kritik am globalen Finanzsystem. Politiker wissen das und bedienen sich nun der Lösungen und der Sprache von Attac & Co: Von Kontrolle der Finanzmärkte ist die Rede, von der Rückkehr des Primats der Politik und von einer Ökologisierung der Industrie - doch in dem mit rhetorischem Zuckerguss überzogenen Konjunkturpaket stecken die alten Lösungen und neoliberalen Strömungen der letzten Jahre, die Politik hat sich nicht gewandelt.

Von Amir El-Ghussein

Ja, sie lebt noch, die globalisierungskritische Bewegung. Vom 27. Januar bis zum 1. Februar treffen sich Aktivisten im brasilianischen Belém zum Weltsozialforum. Schon vor Jahren warnten die Kritiker, dass eine Umstrukturierung der Finanzmärkte notwendig sei und der neoliberalen Strömung Einhalt geboten werden müsste. Sonst könnte es in einer globalen Krise enden.

Nun ist die globale Krise da, und die Globalisierungskritiker haben erstaunliche prognostische Fähigkeiten bewiesen. Doch ihre Stimmen sind nur schwach zu hören. Das liegt zum einen am Erwachsenwerden der Bewegung: Der Lack des Neuen ist ab. Die Bewegung hat sich professionalisiert. NGOs werden als Experten befragt, gleichzeitig aber etwas leiser wahrgenommen als bunte Protestaktionen. Zum anderen scheinen die Themen der Globalisierungskritiker in der Mitte der Gesellschaft angekommen zu sein. Die Politik greift sie auf und bedient sich einer ausgefeilten Nachhaltigkeitsrhetorik.

Die Lösungen der Globalisierungskritiker

Schon vor Jahren forderten NGOs wie Attac eine Neuordnung des globalen Finanz- und Handelssystems. Eine Weltfinanzmarktordnung müsse eingeführt, die Finanzmärkte reguliert und demokratisch kontrolliert werden. Auch forderten sie ein Verbot von Derivaten, der außerbilanziellen Aktivitäten und Schließung von Steuerparadiesen. Sie skizzierten das Leitbild des nachhaltigen Wirtschaftens. Grüne, umweltfreundliche Technologien sollten entwickelt und den armen Ländern zur Verfügung gestellt werden, um den Klimawandel aufzuhalten.

Die Politik nutzt in der Krise genau diese Nachhaltigkeitsrhetorik, die wir von NGOs gewohnt sind. Doch bei der Umsetzung hapert es. So stößt die Unterstützung Hypo Real Estate bei Globalisierungskritikern auf Unverständnis. "Wie kann es sein, dass Gelder in mehrfachem Aktienwert der Bank aufgewendet werden, um das Institut zu retten, ohne dass die Bank vergesellschaftet wird?", sagt Detlef von Larcher vom Attac-Koordinierungskreis im Gespräch mit zoomer.de. "Das Institut muss doch dem Steuerzahler gehören, wenn sie dafür zahlen. Zumindest bis das Geld wieder zurückgezahlt wurde."

Grüne Tünche für alte Rezepte

Auch was das Konjunkturpaket betrifft, erinnern die geplanten Maßnahmen bei genauerer Betrachtung an die guten alten Straßenbau- oder Kaufanreiz-Konzepte des letzten Jahrhunderts. Eine ökologische Strategie ist nicht zu erkennen. Vielmehr sind Abwrackprämie und die neue KFZ-Steuer ökologisch kontraproduktiv. So erklärt Gerd Lottsiepen vom Verkehrsclub Deutschland: "Die Abwrackprämie ist klimapolitischer Unsinn." Bis ein neues Auto einen Vorteil bei der CO2-Emission ausspielen kann, würden viele Jahre vergehen. Barbara Unmüßig, ein Vorstand der Heinrich-Böll-Stiftung, sagt zoomer.de: "Eine ökologische Lenkungswirkung gibt es nicht."

Doch der Ansatz vieler Globalisierungskritiker ist fundamentaler. Sie suchen auf dem Weltsozialforum in Diskussionsrunden neue Quellen der Finanzierung von Entwicklungshilfe oder diskutieren über Kinderbeteiligung und Nahrungssouveränität. Viele wollen das System an sich verändern. Doch die Chancen sind wohl eher bescheiden. "Den Anspruch, eine Alternative zum Kapitalismus zu finden, können wir als gescheitert betrachten", erklärt Unmüßig.

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