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Politik: Wende oder Wahlkampf?

Berlusconi will „auf Druck der öffentlichen Meinung reagieren“ und Truppen aus dem Irak abziehen

Solche Coups liebt Silvio Berlusconi: Seine Leute schickt er ins Parlament, damit sie dort die bleibende Stationierung der 3000 italienischen Soldaten im Irak beschließen. Er selbst setzt sich ins Fernsehstudio und kündigt den vorzeitigen Rückzug an. Die Opposition im Parlament lässt mit viel Bauchgrimmen alle radikalen Rückzugsparolen beiseite, bietet der Regierung Gespräche über eine „Ausstiegsstrategie“ im Irak an – und Berlusconi verspricht den Ausstieg ganz allein.

Hat er noch vor einem Monat die bekannte Position bekräftigt, die Soldaten würden so lange im Irak bleiben, wie die Regierung in Bagdad das für richtig halte, so sagt Berlusconi nun, Italien werde mit dem Truppenrückzug bereits im September beginnen.

Damit ist erstmals ein konkreter Termin genannt; die alten Vorsichtsklauseln aber bleiben: „Die Ausstiegsstrategie“, sagt Berlusconi, „hängt davon ab, ob die irakische Regierung es schafft, angemessene Ordnungs- und Sicherheitskräfte zu schaffen. Einen Rückzug kann es geben, wenn die Sicherheitsbedingungen akzeptabel sind.“ Das heißt das: Wiedervorlage im Herbst.

Dass Berlusconis Vorstoß gegen die USA und gegen seinen „Freund“ George W. Bush gerichtet sein könnte, glaubt kein italienischer Beobachter. Berlusconi hat ausdrücklich vom Einvernehmen mit den Alliierten gesprochen. US-Außenministerin Condoleezza Rice versichert, „nach meiner großen Erfahrung in der Zusammenarbeit mit der italienischen Regierung“ werde Rom alles im Einvernehmen mit den Verbündeten tun und „nichts unternehmen, was den Auftrag im Irak gefährdet“. Die tatsächlichen Gründe für seinen Fernsehschwenk hat Berlusconi selbst angedeutet. Er beruft sich auf eine enge Absprache mit dem britischen Regierungschef Tony Blair: „Es ist die öffentliche Meinung in beiden Ländern, die eine solche Entscheidung erwartet.“

Die öffentliche Meinung in Italien hat sich in einer neuen Umfrage niedergeschlagen. Knapp drei Wochen vor den Regionalwahlen – in 14 von 20 Regionen werden Parlamente und Regierungschefs neu bestimmt – ist die Quote der Stationierungsgegner in nie gekannte Höhen geklettert. 47 Prozent fordern einen Rückzug der Soldaten. Da aber ein knapper Wahlausgang erwartet wird, ist für Berlusconi ein anderes Ergebnis noch bedeutsamer: Die 20 Prozent der Unentschiedenen sind mehrheitlich gegen den Irakeinsatz und fallen im Zweifel der Opposition zu. Zugleich ist die Abneigung gegen die USA stark gestiegen. Der „große Verbündete“ von einst gilt für mehr als 40 Prozent als „Bedrohung unserer Interessen“. Darum wappnet sich Berlusconi, dem seine Gegner zu viel Liebedienerei gegenüber Bush vorwerfen, mit Vorsicht.

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