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Krankenkassenbeiträge: Weniger Netto vom Brutto

Gesundheitsminister Rösler will die Beiträge zur Krankenversicherung anheben. Dabei hatte gerade die FDP mit "Mehr Netto vom Brutto" geworben. Was bleibt von diesem Versprechen?

Im Herbst 2009, zu Beginn der Wahlperiode, verkündeten CDU, CSU und FDP in ihrem Koalitionsvertrag noch vollmundig: „Wir werden dafür sorgen, dass sich Arbeit lohnt, dass den Bürgern mehr Netto vom Bruttoeinkommen bleibt.“ Ein dreiviertel Jahr später haben die Koalitionspartner angesichts der desaströsen Haushaltslage nicht nur das Versprechen kassiert, die Steuern zu senken. Sie planen nun auch eine deutliche Erhöhung der Krankenkassenbeiträge im Jahr 2011. Gleichzeitig steigt der Arbeitslosenbeitrag leicht an. Mit der Folge, dass Arbeitnehmern dann „weniger Netto vom Brutto“ bleiben wird. Für Gesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) ein herber Rückschlag: Er muss sich damit auch von seinem Ziel verabschieden, die einkommensunabhängige Kopfpauschale im Gesundheitswesen einzuführen.

Das drohende Defizit von rund elf Milliarden Euro in der gesetzlichen Krankenversicherung soll teilweise durch einen höheren Beitragssatz gedeckt werden. Die Anhebung um 0,6 Punkte würde rund sechs Milliarden Euro bringen – und damit etwas mehr als die Hälfte des Defizits decken. Der Arbeitnehmeranteil soll Anfang 2011 von derzeit 7,9 auf 8,2 Prozent klettern. Für die Arbeitgeber soll die Belastung ebenfalls steigen – von 7,0 auf 7,3 Prozent. Im Koalitionsvertrag hatten sich Union und FDP noch darauf festgelegt, dass der Arbeitgeberbeitrag eingefroren werden soll, eine der wenigen konkreten Verabredungen beim Thema Gesundheit. Endgültig will die Koalition die Einigung, die am Freitag bei einem Treffen im Kanzleramt erzielt wurde, am Dienstag beschließen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) stimmte die Menschen jedoch schon am Wochenende auf höhere Kosten ein. „Gesundheit wird teurer“, sagte die Kanzlerin – und verwies dabei auf die älter werdende Bevölkerung und steigende Personalkosten im Gesundheitswesen.

Nach den Plänen der Koalition zahlt eine Verkäuferin mit einem monatlichen Bruttoeinkommen von 1500 Euro künftig einen Krankenkassenbeitrag von 123 Euro, das ist ein Plus von 4,50 Euro im Monat. Der Industriekaufmann mit einem Bruttoeinkommen von 2500 Euro zahlt ab dem nächsten Jahr monatlich 7,50 Euro mehr (Beitrag 205 Euro). Die Ingenieurin, die mit ihrem Bruttoeinkommen von 3750 Euro bisher schon den Maximalbeitrag leisten musste, zahlt ab 2011 jeden Monat 11,25 Euro mehr als bisher (Monatsbeitrag 307,50 Euro).

Höhere Ausgaben drohen den Versicherten außerdem durch die Zusatzbeiträge. Die Koalition will hier den Spielraum der Kassen erweitern. So ist zum einen im Gespräch, die Minipauschale zu erhöhen, die ohne Einkommensprüfung erhoben werden kann. Bislang sind das acht Euro im Monat, dieser Betrag könnte auf zwölf oder sogar 16 Euro wachsen. Das würde am stärksten Geringverdiener belasten, aber auch Hartz-IV-Empfänger und Senioren mit kleinen Renten.

Gleichzeitig überlegen die Koalitionspartner, den Deckel nach oben anzuheben. Bislang darf der Zusatzbeitrag ein Prozent des Bruttoeinkommens der Versicherten nicht übersteigen. Künftig könnte diese Obergrenze auf zwei Prozent verdoppelt werden. Die Krankenkassen könnten also grundsätzlich vom Industriekaufmann bis zu 50 Euro statt bislang 25 Euro im Monat kassieren, von der Ingenieurin sogar 75 Euro statt bislang 37,50 Euro. Momentan erheben zwar noch nicht alle Kassen den Zusatzbeitrag, doch politisch gewollt ist, dass dieses Instrument verstärkt zur Finanzierung der Krankenversicherung genutzt wird. Beim Zusatzbeitrag sind die Arbeitgeber nicht mit in der Pflicht, er wird alleine von den Arbeitnehmern aufgebracht.

Für Beschäftigte wie Arbeitgeber wird es im nächsten Jahr auch in einem anderen Bereich der Sozialversicherung teurer: Der Arbeitslosenbeitrag steigt 2011 von 2,8 wieder auf 3,0 Prozent. Im Portemonnaie macht sich das zwar nicht so stark bemerkbar wie die gestiegenen Abgaben für die Krankenversicherung. Doch kommt dadurch auf die Verkäuferin eine monatliche Mehrbelastung von 1,50 Euro hinzu, der Industriekaufmann zahlt 2,50 Euro mehr – und die Ingenieurin 3,75 Euro. Ihre Arbeitgeber werden ebenfalls entsprechend belastet. Den Anstieg der Arbeitslosenbeiträge hatte allerdings schon die große Koalition verabredet. In der Krise wurden die Beiträge nur vorübergehend auf 2,8 Prozent abgesenkt, mit der klaren Ansage, dass sie Anfang 2011 wieder leicht nach oben gehen.

Durch die Beitragserhöhungen steigen die Sozialabgaben 2011 auf mehr als 40 Prozent. Arbeitnehmer und Arbeitgeber zahlen für Rente, Pflege, Kranken- und Arbeitslosenversicherung ab 2011 Abgaben von 40,35 Prozent. Bei Kinderlosen summiert sich dies sogar auf 40,6 Prozent, da sie einen Sonderbeitrag für die Pflege zahlen. Vorsorglich haben Union und FDP in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart, dass sie „die paritätisch finanzierten Lohnzusatzkosten“ unter 40 Prozent halten wollen. Rechnet man den Sonderbeitrag der Arbeitnehmer in der Krankenversicherung von 0,9 Prozent raus, dann landet man bei Sozialabgaben von 39,45 Prozent – und damit unter der Zielmarke.

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