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Politik: Weniger – ohne Widerspruch

Niedersachsens Ministerpräsident Wulff kürzt den Haushalt um 1,45 Milliarden Euro – aber die Proteste halten sich in Grenzen

Christian Wulff ist ein leiser Landesvater. Als vor wenigen Wochen der hessische Ministerpräsident Roland Koch (CDU) einen „radikalen Sparkurs“ verkündete und für 2004 Ausgabenkürzungen von mehr als einer Milliarde Euro in Aussicht stellte, lächelte Wulff nur freundlich. Denn was sein hessischer Parteifreund vorhat, schafft der niedersächsische Regierungschef allemal: In seinem Haushalt werden 2004 sogar 1,45 Milliarden Euro zusammengestrichen – ohne dass dies zu einem Proteststurm geführt hätte.

Am heutigen Dienstag fallen weitere Beschlüsse: Die Hochschulen des Landes sollen 2004 einen Beitrag von 40 Millionen Euro leisten. Die Hochschulen sind nur ein Beispiel: Derzeit läuft in Niedersachsen eine Rotstift- Politik, wie sie das Land in den vergangenen 15 Jahren nicht erlebt hat. Die Zuschüsse an Wohlfahrtsverbände und soziale Organisationen werden gekürzt, das Landesblindengeld wird vermindert, die Behinderteneinrichtungen müssen eine Nullrunde verkraften, die Wirtschaftsförderung wird gestutzt, die Volkshochschulen bekommen weniger Geld und bei den Staatstheatern in Hannover, Braunschweig und Oldenburg wird ebenfalls gestrichen. Am meisten Diskussionsstoff liefern die Kürzungen bei den Universitäten. Diese waren über viele Jahre ein Tabu. Das Kabinett Wulff bricht nun damit. Zwei Fachhochschulen, in Buxtehude und Nienburg, sollen sogar vollständig geschlossen werden.

Überall in Niedersachsen rühren sich die von den Kürzungen betroffenen Verbände zum Protest. Am lautesten sind – neben Studenten und Professoren – die Beamten, denen das Weihnachtsgeld im kommenden Jahr auf 50 Prozent gekürzt werden soll. Die Gewerkschaften und Sozialverbände haben vor einigen Wochen noch einen „heißen Herbst“ angekündigt. Doch offenbar haben sich viele längst mit den Kürzungsplänen arrangiert. SPD und Grüne in der Opposition finden mit ihrer Kritik an der Haushaltspolitik der Regierung jedenfalls kaum Rückhalt. Die SPD auch deshalb nicht, weil sie bis vor sechs Monaten selbst regiert hat und nach 13 Jahren an der Macht ein gehöriges Maß Schuld an der Finanzlage des Landes trägt.

Deshalb läuft die Diskussion über Kürzungen nicht so leidenschaftlich, wie sich Kritiker der Regierung dies gewünscht hatten. Beruhigend ist dies für Wulff aber nur vorübergehend. Die Probleme Niedersachsens sind so groß, dass seine Sparpolitik erst am Anfang steht. Nach den derzeitigen Plänen braucht die Landesregierung trotz strikter Kürzungen bis 2007, um überhaupt wieder einen verfassungsgemäßen Haushalt vorzulegen. Das heißt, in den kommenden drei Jahren übersteigt die Summe der neuen Schulden die Summe der Investitionsausgaben.

Der Ministerpräsident meistert die schwierige Situation auf seine Weise. Anders als sein Vorgänger Sigmar Gabriel, der stets neue Themen besetzte und mit forschen Thesen zum Widerspruch reizte, setzt Wulff auf Beständigkeit und Ruhe. Verbale Zuspitzungen unterlässt er. Er ist stets bemüht, zu den verschiedenen Vereinen und Verbänden ein gutes Verhältnis zu pflegen. Dies galt zu Beginn seiner Amtszeit ausdrücklich auch für die Gewerkschaften. Inzwischen hat sich dieser Kontakt leicht abgekühlt. Denn die vage Hoffnung einiger Arbeitnehmervertreter, der immer freundliche, nette und zuvorkommende Regierungschef werde schon nachgeben, wenn der Ärger über die Kürzungen nur groß genug ist, wurde enttäuscht.

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