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Politik: Weniger Regeln für DNA-Spurensuche?

Politiker wollen Ermittlungen erleichtern – bei anonymen Gen-Daten sollen Richter nicht gefragt werden

Berlin - Koalition, Opposition und Datenschützer sind sich einig, den Einsatz des genetischen Fingerabdrucks zur Verbrechensbekämpfung zu erleichtern. Auch die Grünen wollen über das Speichern anonymer Spuren bei polizeilichen Ermittlungen nicht mehr Richter entscheiden lassen. „Der Richtervorbehalt muss bleiben – außer bei anonymen Spuren“, sagte deren rechtspolitischer Sprecher Jerzy Montag vor der Vereinigung Berliner Strafverteidiger. Betroffen sind rund ein Sechstel der gespeicherten Datensätze.

Die Union hält diesen Schritt schon länger für nötig. „Dadurch werden die Gerichte entlastet“, sagte der innenpolitische Sprecher Wolfgang Bosbach. Auch der Innenexperte der SPD, Dieter Wiefelspütz, will den Richtervorbehalt überdenken. „Bei anonymen Spuren halte ich ihn für verzichtbar“, sagte Wiefelspütz.

In der zentralen DNA-Datei des Bundeskriminalamts in Wiesbaden sind nach Angaben Bosbachs derzeit 360 000 Datensätze von mutmaßlichen oder verurteilten Kriminellen gespeichert, 60 000 seien anonym. Hunderte schwere Straftaten sind mit dieser Hilfe bereits aufgeklärt worden. Gespeichert wird nur der so genannte nicht codierende Teil der DNA, der keine Rückschlüsse auf das exakte Erbgut zulassen soll. Er enthält lediglich eine bestimmte individuelle Sequenz, über die die Identität mit anderen Spuren etwa aus Haaren, Blut oder Hautfetzen abgeglichen werden kann. In allen Fällen muss bislang ein Richter über die DNA-Abnahme entscheiden – auch wenn Spuren am Tatort keinem Beschuldigten zugeordnet werden können. Der Bund Deutscher Kriminalbeamter kritisiert, dies sei bürokratisch und verzögere die Ermittlungen.

Auch beim Bundesbeauftragten für Datenschutz, Peter Schaar, setzt offenbar ein Umdenken ein. Schaar hatte sich früher gegen die Schwächung der Justiz ausgesprochen. „Der Richtervorbehalt ist bei anonymen Spuren aus unserer Sicht nicht mehr zwingend erforderlich“, hieß es jetzt. Die Bundesregierung signalisiert ebenfalls Offenheit. „Wir können uns das vorstellen“, hieß es am Freitag aus dem Justizministerium. Anonyme Personen seien keine Grundrechtsträger. Bevor die Regierung etwas unternehme, wolle man aber noch die Justizministerkonferenz im Frühjahr 2005 abwarten. Der Deutsche Richterbund selbst kritisiert, die Richter fassten nur „Alibibeschlüsse“. „Bei Unbekanntspuren gibt der Richtervorbehalt für die Kontrolle des Ermittlungsverfahrens nichts her“, sagt Geschäftsführerin Uta Fölster.

Die Rolle der Justiz im Umgang mit der DNA geht auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zurück. Angesichts des technischen Fortschritts wird sie vielfach als überholt angesehen.

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