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Politik: Wenn das Erlebte nicht vergeht

Berlin - Es kann Lokführer heimsuchen, die einen Selbstmörder überrollen. Es droht Notärzten, die mit ansehen müssen, wie vor Schmerzen schreiende Unfallopfer sterben.

Berlin - Es kann Lokführer heimsuchen, die einen Selbstmörder überrollen. Es droht Notärzten, die mit ansehen müssen, wie vor Schmerzen schreiende Unfallopfer sterben. Oder es überfällt, wie kürzlich in Südasien, Urlauber und Einheimische, die miterleben, wie die Mutter, der Freund oder auch fremde Menschen vor ihren Augen ertrinken oder durch Treibgut an Hauswänden zerquetscht werden. Wer sich oder andere in Todesgefahr erlebt und sich dabei hilflos fühlt, kann eine schwere seelische Wunde erleiden, die Spuren im Hirn hinterlässt. Experten sprechen von einem Psychotrauma (von griech. trauma, Verletzung). Dann hilft nur noch der Beistand speziell ausgebildeter Psychotherapeuten.

Am Anfang steht der Schock. „Da wird dem Betroffenen erst mal klar, dass er überlebt hat“, sagt Trauma-Therapeut Arne Hofmann aus Bergisch-Gladbach. „In den schwierigsten Fällen wirken Geschockte völlig desorientiert, als wenn sie gar nicht da wären.“ Dann schlägt die Stunde derer, die seelische erste Hilfe leisten: Ärzte, Pfarrer, Feuerwehrleute, Psychologen. Oft besteht die Hilfe nur im Da-Sein, im Reichen einer Decke, eines Telefons. „Manchmal muss man auch aufpassen, dass jemand, der unter Schock steht, nicht einfach über die Straße rennt und die Autos übersieht“, sagt Hofmann.

Zwei Drittel aller Schockierten erholen sich, ohne je Hilfe zu brauchen. Doch bei manchen will die seelische Wunde nicht verheilen. Besonders gefährdet sind Kinder. Ein Kind empfinde „schneller Lebensgefahr, wenn es von wichtigen Personen aufgegeben wird oder wenn diese es allein lassen, indem sie sterben“, sagt der Leiter der Sektion Psychotraumatologie an der Uniklinik Heidelberg, Günter Seidler. Nehmen Traumatisierte etwas wahr, das dem belastenden Ereignis ähnelt, wird das damals Erlebte wieder neu ausgelöst. Abgespeichertes hängt sozusagen nicht ab. „Ein Psychotrauma hat keine Zeitstruktur, es wird nicht zur Vergangenheit", sagt Seidler. Es vergangen zu machen, ist dann Aufgabe der Psychotherapie.

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