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Politik: Wenn der Grünkohl warnt

Dichotomie. Keine Angst, das Wort steht hier als Köder für Bessergebildete und weil es nun mal der übliche Begriff ist für zwei Dinge, die sich gegenseitig ausschließen.

Dichotomie. Keine Angst, das Wort steht hier als Köder für Bessergebildete und weil es nun mal der übliche Begriff ist für zwei Dinge, die sich gegenseitig ausschließen. Heute, aus gegebenem Anlass: Mensch und Natur. Beide passen definitiv nicht zusammen, aber wenigstens ist die Schuldfrage unbestritten; der Mensch hat den Zank angefangen. Die Natur, natürlich, wie sie ist, wartet und wartet, bis sie die ewigen Attacken nicht mehr länger aushält. Dann schlägt sie zurück. Es bricht der Vesuv aus, Godzilla zertrampelt die Tokioter Skyline, und das Wurzenbächle tritt über die Ufer und reißt einen arthritischen Kurzhaardackel fort.

Doch wie geht das genau vor sich? Ist ER persönlich im Einsatz, oder gibt er nur wie ein guter Chief Executive Officer die Leitlinien des Zurückschlagens vor und überlässt es dann seinen Projektmanagern, Angriffspunkt und Wucht der Attacke frei zu wählen? Die wachsende Zahl der Nadelstiche gegen den Menschen deutet darauf, dass wir uns einem ganzen Heer von unteren Naturschutzbeauftragten gegenübersehen. Wie sie arbeiten, darüber hat uns gestern dankenswerterweise „Bild“ informiert: „Klimawandel tötet Autofahrer!“

Bitte? Ist ganz einfach: Eis und Schnee bleiben aus, und die Brandenburger Autofahrer, die sonst auf den winterglatten Straßen im Schritttempo herumeiern, geben Gas und rasen sich tot wie im Sommer. Ein teuflischer Mechanismus, der nicht nur den Menschen als Klimawandler, sondern auch das Auto, seinen ausführenden Gehilfen, zackbumm aus der Welt schafft. Im frostfreien Berlin, so hören wir weiter, breiten sich die Misteln aus und gefährden unsere Straßenbäume. Gegen wen sich deren geballte Sturzkraft dann wendet, ist ebenfalls klar.

Die Natur rächt sich aber auch im nicht letalen Bereich. Günter Verheugen, der amtierende Oldenburger Grünkohlkönig, hat jetzt darauf hingewiesen, dass fehlender Frost diesem Gemüse praktisch die Existenzberechtigung entziehe: Kälte fördert die milde Süße im Blatt, die durch Tiefkühlung des geernteten Kohls nachträglich nicht mehr erreichbar ist. Damit wäre eine der zwei wesentlichen Säulen gefährdet, auf denen das niedersächsische Staatsgebilde ruht. Die andere, notabene, ist die Automobilproduktion.

Wir sollten das als letzte Warnung verstehen: Erst stirbt der Grünkohl, dann brechen die Deiche. In Niedersachsen steht ein ganzer Haufen von beidem herum.

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